Gegen Antisemitismus - aber wie?

Gegen Antisemitismus - aber wie?
Kritik an Entwurf für Bundestagsresolution gegen Judenhass
SPD, Union, Grüne und FDP im Bundestag haben sich auf eine Resolution gegen Antisemitismus geeinigt. Während Zentralratspräsident Schuster irritiert über die lange Beratungsdauer ist, kritisieren Prominente den Entwurf.

Berlin (epd). SPD, Union, Grüne und FDP im Bundestag haben sich auf einen gemeinsamen Antrag gegen Antisemitismus verständigt. Der am Wochenende bekannt gewordene Entwurf hat den Titel „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“. Das Thema soll kommende Woche im Bundestag debattiert werden. Für die Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßte deren Präsident Volker Beck „die Einigung der demokratischen Fraktionen“ auf einen Antragstext als „wichtiges Signal“, die besondere deutsche Verantwortung für die Sicherheit jüdischen Lebens gemeinsam wahrzunehmen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, äußerte sich zurückhaltend: „Wir hören das Signal - es bleibt ein Moment der vorsichtigen Zuversicht.“ Der Einigung auf eine gemeinsame Resolution seien „lange, zum Teil irritierende und nicht immer nachvollziehbare Verhandlungen“ vorangegangen, die ihre Spuren hinterlassen hätten. Die Resolution müsse nach ihrer Verabschiedung „mit Leben gefüllt werden, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen“, forderte Schuster.

Von anderer Seite kam scharfe Kritik an dem Entwurf: Eine Gruppe von Politikern und zivilgesellschaftlichen Akteuren prangerte in einer am Samstagabend verbreiteten Stellungnahme „das intransparente und undemokratische Verfahren seiner Entstehung“ an. Nicht einmal die Abgeordneten der beteiligten Parteien hätten vom Inhalt der Gespräche der Fraktionsvorsitzenden gewusst. Trotz breiter Kritik sei der im Sommer geleakte Resolutionsentwurf „weitestgehend unverändert“ geblieben. Zu den Kritikern gehören unter anderem der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Schriftsteller Norman Ohler und Autorin Eva Menasse.

In ihrem Antrag befürworten die vier Fraktionen unter anderem, Schulen und Hochschulen sollten nach antisemitischem Verhalten das Hausrecht anwenden in Form von Ausschluss von Unterricht und Studium „bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen“. Mit Blick auf Antisemitismus-Skandale bei der „documenta fifteen“ 2022 in Kassel oder der Berlinale in diesem Jahr verlangen SPD, Union, Grüne und FDP von Kunst, Kultur und Medien wirksame Regeln und Strategien gegen Judenhass.

Bund, Länder und Kommunen sollen diesem Entwurf zufolge sicherstellen, „dass keine Projekte und Vorhaben mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden“. Ebenso lehnen SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP eine finanzielle Förderung für Organisationen und Projekte ab, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen und zum Boykott Israels aufrufen sowie die Boykottbewegung BDS „aktiv unterstützen“. Im Straf-, Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht wollen die vier Fraktionen Gesetzeslücken schließen und repressive Möglichkeiten gegen gefährliche Tendenzen konsequent ausschöpfen.

Anlass für die gemeinsame Resolution ist zum einen der bevorstehende Jahrestag der Reichspogromnacht: 1938 brannten in der Nacht vom 9. auf den 10. November in Deutschland unzählige Synagogen, wurden jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet sowie jüdische Bürgerinnen und Bürger misshandelt und getötet. Zum anderen verweisen die vier Fraktionen ebenso wie die Kritikergruppe auf den Angriff der Terrororganisation Hamas gegen Israel vom 7. Oktober 2023, der den aktuellen Krieg im Nahen Osten ausgelöst hatte.

Die Kritiker hatten vor wenigen Tagen einen alternativen Resolutionsentwurf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht, in dem sie ein inklusives Modell des Schutzes von Minderheiten vorschlagen: Sie wenden sich darin gegen antisemitische und -muslimische, rassistische, frauen- und queerfeindliche Entwicklungen. Außer den prominenten Einzelpersonen unterstützten den Angaben zufolge Organisationen wie Amnesty International, medico international, Oxfam oder „Pax Christi“ ihren Vorschlag.