Berlin, Rio de Janeiro (epd). Rund sechseinhalb Jahre nach der Ermordung der brasilianischen Linkspolitikerin Marielle Franco und ihres Fahrers sind die zwei Haupttäter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Ein Schwurgericht in Rio de Janeiro sprach am Donnerstagabend (Ortszeit) die ehemaligen Militärpolizisten Ronnie Lessa und Élcio de Queiroz des Mordes schuldig, wie die Tageszeitung „Folha de São Paulo“ berichtete. Die Stadträtin Franco war am 14. März 2018 in Rio de Janeiro auf offener Straße in ihrem Auto regelrecht hingerichtet worden. Auch ihr Fahrer Anderson Gomes kam ums Leben.
Der Mord an der 38-jährigen Politikerin hat ganz Brasilien aufgewühlt und auch international für Entsetzen gesorgt. Noch immer sind die genauen Umstände des Verbrechens und die Zusammenarbeit von Politikern mit der organisierten Kriminalität nicht vollständig aufgeklärt.
Die jetzt verhängten Haftstrafen belaufen sich auf 78 Jahre und neun Monate für Lessa sowie 59 Jahre und acht Monate für Queiroz. Sie wurden außerdem zu hohen Geldstrafen als Wiedergutmachung für die Familienangehörigen der Opfer verurteilt. Beide Täter waren geständig. Demnach soll Queiroz das Auto gefahren haben, aus dem Lessa die Schüsse auf die Politikerin und ihren Fahrer abgab.
Vor dem Gericht hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, die Gerechtigkeit für den Tod von Franco und ihren Fahrer Anderson einforderten. Im Gerichtssaal verfolgten Familienangehörige das Verfahren, das zum Teil live übertragen wurde.
Die Verurteilten belasteten in ihren Aussagen den Kongressabgeordneten Chiquinho Brazão und seinen Bruder, der ein Mitglied des Rechnungshofes war, als die Auftraggeber des Verbrechens. Beide müssen sich in separaten Prozessen verantworten. Franco soll als Stadträtin einen Gesetzentwurf vorangetrieben haben, der die Regulierung von Land für den Bau von Sozialwohnungen vorsah. Das durchkreuzte offenbar die Pläne des Abgeordneten und krimineller Milizen in Rio de Janeiro. Die Ermittlungen der Bundespolizei stockten lange und wurden erst nach dem Amtsantritt des linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vorangetrieben.
Die Afrobrasilianerin Franco, die selbst in einem Armenviertel aufgewachsen war, galt als politische Hoffnungsträgerin. Im Stadtrat von Rio de Janeiro setzte sie sich für die Favelas und gegen Polizeigewalt ein. Franco lebte in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung und war auch eine Ikone der LGBT-Bewegung in ganz Brasilien. Ihr Mord offenbarte die Zusammenarbeit von organisierter Kriminalität und Politik in Brasilien.