Wohlfahrts-Präsident Lehrer: Weiter für Demokratiearbeit kämpfen

Wohlfahrts-Präsident Lehrer: Weiter für Demokratiearbeit kämpfen
Gefahren durch Antisemitismus und Rechtsradikalismus bestimmen die Debatten bei der Konferenz Diakonie und Entwicklung. Viel zu häufig würden antisemitische Vorfälle nicht verfolgt, sagt der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, Lehrer.

Berlin (epd). Mit einem Appell für Menschlichkeit und Demokratie ist die diesjährige Konferenz Diakonie und Entwicklung eröffnet worden. Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung stehe „gegen alles Menschenfeindliche“, sagte der Berliner Bischof Christian Stäblein am Mittwoch im Auftaktgottesdienst in der Berliner Golgatha-Kirche. Jede diakonische Unternehmung sei ein Abbild dessen, dass es anders zugehen könne in der Welt.

Der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, warnte zu Beginn der zweitägigen Konferenz, der dramatische Anstieg von Antisemitismus und anderen Formen der Menschenfeindlichkeit sei keine abstrakte Gefahr. Er warnte vor den Folgen von Haushaltskürzungen für die soziale Arbeit und das Ehrenamt. Sie verschärften die Spannungen in der Gesellschaft.

Lehrer rief Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen auf, „weiterhin für Demokratiearbeit zu kämpfen“. Fast noch schlimmer als die Angst vor Angriffen sei „das Gefühl, dass da niemand wäre, der einschreiten würde“, sagte er. Ein Thema der Konferenz sind die Auswirkungen von Rechtsextremismus auf die Wohlfahrts- und Entwicklungsarbeit.

Lehrer, der auch stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, verlangte von Justiz und Behörden ein entschiedenes Einschreiten gegen antisemitische Angriffe und rechtsradikale Umtriebe. Noch viel zu häufig würden antisemitische Vorfälle nicht verfolgt, kritisierte er. Rechtsprechung und Verwaltungen müssten die Gefahren sehen und handeln, forderte er: „Wer heute nach der Zivilgesellschaft ruft, der muss auch staatlicherseits garantieren, dass diese beim Kampf um Demokratie und Rechtsstaat nicht alleine dasteht.“

Im Gespräch mit den Delegierten, an die sich Lehrer mit seinem Vortrag richtete, machte er deutlich, dass sich die jüdische Bevölkerung von der deutschen Mehrheitsgesellschaft alleingelassen fühle. „Es fehlen uns Zeichen aus der Gesellschaft, von den Menschen selbst“, sagte Lehrer: „Diese Zeichen sehen wir nicht.“ Er rief jede und jeden Einzelnen zu Zivilcourage auf.

Es komme darauf an, im Alltag, im Beruf, bei Gesprächen jedwedem Antisemitismus zu widersprechen, sagte Lehrer. Er sei eine Gefahr für Juden und Gift für die Demokratie und drohe nicht nur von rechts. Vielmehr vollziehe sich seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres, das auf deutschen Straßen als Befreiungsakt gefeiert worden sei, auch im linken Spektrum „eine autoritäre und antisemitische Wende“, erklärte Lehrer.

Die Konferenz für Diakonie und Entwicklung ist das oberste Organ des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung. Sie beschließt über Grundsatzfragen der Arbeit von Diakonie sowie den Hilfsorganisationen „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe. Ein weiteres Thema der Versammlung ist der Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt. Der Konferenz gehören mehr als 100 Mitglieder aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden an.