Leipzig (epd). Von Jura-Studenten kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein Mindestmaß an Verfassungstreue verlangt werden, wenn sie zum Referendariat zugelassen werden wollen. „Wenn sich jemand aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigt, ist eine Schwelle überschritten“, sagte der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats, Markus Kenntner, am Donnerstag während der Verhandlung von Matthias B. gegen den Freistaat Bayern in Leipzig. Die Richter wollten voraussichtlich am Donnerstagabend eine Entscheidung verkünden.
„Jeder Arbeitgeber kann Loyalität von seinen Arbeitnehmern verlangen“, betonte der Vorsitzende Richter. Das gelte auch für das juristische Referendariat, bei dem der Staat der Arbeitgeber sei. Ein erfolgreich abgeschlossenes Referendariat ist nötig, um Anwalt, Staatsanwalt oder Richter werden zu können.
„Es müssen nicht erst Straftaten begangen worden sein, um bei Bewerbern für ein Referendariat davon sprechen zu können, dass sie sich aktiv gegen die Verfassung betätigen“, fügte Kenntner an. Der Staat dürfe bei Kandidaten für ein Referendariat eine Prognose erstellen, ob sie dafür geeignet seien. Dabei dürfe er auch das bisherige Verhalten der Bewerber heranziehen und berücksichtigen.
Allerdings gälten für Kandidaten für ein Referendariat weniger strenge Maßstäbe als für Beamte. Referendare seien nicht verbeamtet. „Beamte müssen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten, Referendare dürfen sie nicht aktiv bekämpfen“, erläuterte Kenntner.
Eine Vertreterin der Landesanwaltschaft Bayern sagte, es müsse „der Grundsatz der wehrhaften Demokratie“ beachtet werden. Ein weiterer Prozessvertreter des beklagten Freistaats erinnerte daran, dass mit einem erfolgreichen Referendariat die Befähigung zum Richteramt erworben werde.
B. wendet sich mit seiner Klage gegen die Entscheidung des Freistaats Bayern, ihn nicht zum Referendariat zuzulassen (Az. 2 C 15.23). In der Verhandlung ging es um die Revision von B. gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs München vom Dezember 2022. Die Münchner Richter hatten zu Ungunsten von B. geurteilt und damit seine Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg von November 2020 zurückgewiesen, bei dem zuvor die Klage von B. abgewiesen worden war.
B. wollte nach seinem Jurastudium in Würzburg im April 2020 im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg sein Referendariat beginnen. Der Präsident des Oberlandesgerichts lehnte den Antrag ab, weil der damalige Student charakterlich ungeeignet sei. Durch seine aktive Mitgliedschaft in der Partei „Der III. Weg“ sowie vorangegangene Betätigungen für die NPD und die inzwischen verbotene Vereinigung „Freies Netz Süd“ habe er sich anhaltend verfassungsfeindlich betätigt.
Danach versuchte es B. in Thüringen und Sachsen und wurde schließlich 2022 in Sachsen zum Referendariat zugelassen. Dies hatte zuletzt der Verfassungsgerichtshof von Sachsen entschieden. Dabei wollte B. einen Teil des Referendariats bei dem Chemnitzer Rechtsanwalt Martin Kohlmann absolvieren, der Chef der „Freien Sachsen“ ist. Dies lehnte zuletzt das Oberverwaltungsgericht Bautzen ab. Inzwischen ist B. in Bayern als Anwalt tätig.