Chemnitz (epd). Nach Ansicht von Altbundespräsident Joachim Gauck gibt es 34 Jahre nach der deutschen Einheit noch immer „die Mauer in den Köpfen“. Dies betreffe den Osten wie den Westen, sagte Gauck der in Chemnitz erscheinenden „Freien Presse“ (Freitag). Im Osten existiere „die Mauer vor allem in den Köpfen derer, die das Gefühl haben, zu kurz gekommen zu sein und sich eingeigelt haben in eine Haltung der trotzigen Abwehr und der Verdächtigung des Westens als unsolidarisch oder gar feindlich“.
Im Westen sei dies so, weil „man den Osten einfach nicht wahr- oder ernst nimmt“, sagte Gauck. Dennoch zeigte er sich überzeugt: „Auch wenn wir jetzt gerade wieder so eine Welle haben, in der die Mauer in den Köpfen etwas höher zu werden scheint, wird sie auf längere Zeit verschwinden. Mentalitäten wandeln sich langsam.“ Gauck hat zusammen mit Helga Hirsch ein neues Buch vorgelegt mit dem Titel „Erschütterungen. Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht“.
Der frühere Bundespräsident äußerte sich zudem zum Thema Migration: „Es ist ein Gebot der politischen Vernunft, Zuwanderung zu steuern - und, wenn nötig, auch zu begrenzen.“ Er werbe „für eine Gesellschaft der Vielfalt, aber nicht für eine ungeregelte Vielfalt, denn die bewirkt Verunsicherung und daraus folgt Angst“, sagte Gauck. Er wolle „keine Vielfalt, in der wesentliche Dinge nicht geregelt sind“.
Wenn etwa die Rechtsordnung von zugewanderten Menschen gebrochen werde oder wesentliche Leitlinien des Miteinanders missachtet würden und niemand darauf reagiere, sei dies problematisch. Als ein Beispiel nannte er die Missachtung der Rechte von Frauen.