Berlin (epd). Die neue Strategie für humanitäre Hilfe der Bundesregierung bietet aus Sicht des Direktors des „Centre for Humanitarian Action“, Ralf Südhoff, nur wenig Orientierung. Es habe die Hoffnung gegeben, dass Deutschland als eines der weltweit größten Geberländer mit dem Papier für die Zukunft klare Prioritäten benennt, sagte Südhoff dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Aber das leistet die Strategie leider nicht.“ Zudem sei angesichts der zu erwartenden Kürzungen beim Auswärtigen Amt unklar, wie die Ideen und Vorschläge überhaupt umgesetzt werden sollen, kritisierte der Leiter der in Berlin ansässigen Denkfabrik.
Viele Aspekte der am Donnerstag vorgestellten Strategie seien sinnvoll, etwa das Vorhaben, lokale Organisationen in Hilfseinsätzen weiter zu stärken, sagte Südhoff. Auch der Einsatz für humanitäre Diplomatie sei mit Blick auf die Behinderung von Helferinnen und Helfern in vielen Konflikten lobenswert. „Aber wie man das erreichen will - und vor allem mit welchen politischen, finanziellen und personellen Ressourcen -, das bleibt vielfach offen.“
Teils seien Aussagen so „allgemein und unkonkret, dass unklar bleibt, was die Strategie bewirken kann, beispielsweise bei einer besseren Verzahnung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit oder Friedensförderung“. Statt mehr als ein Dutzend Schwerpunkte anzusprechen, „wäre es sinnvoller gewesen, drei bis vier Ziele zu benennen und bei diesen wirklich in die Tiefe zu gehen“, unterstrich Südhoff: „Doch davor hat man sich am Ende leider gescheut.“
Laut dem Direktor der Denkfabrik, die sich mit Fragen der humanitären Hilfe befasst, spiegeln sich in dem Papier auch die geplanten Einschnitte im Etat des Auswärtigen Amtes wider. Dass das Budget für die humanitäre Hilfe 2025 um die Hälfte auf rund eine Milliarde Euro gekürzt werden solle, sei ein „dramatischer Schritt“. Entsprechend sei in der neuen Strategie „konsequent der Anspruch herausgestrichen, dass Deutschland ein führender humanitärer Geber ist“. Dies werfe die Frage auf, „welchen Stellenwert die humanitäre Hilfe in Zukunft noch hat.“
Die neue Strategie zieht nach Einschätzung von Südhoff stärker als zuvor eine Verbindung zwischen humanitärer Hilfe und anderen außen- und sicherheitspolitischen Interessen. Dies sei im Vergleich zu vorigen Ansätzen ein „ganz anderer Akzent“. Beispielsweise habe Deutschland in den vergangenen Jahren auch in sogenannten vergessenen Krisen geholfen. Angesichts sinkender Mittel bestehe nun die Gefahr, dass diese vor allem für Regionen eingesetzt werden, in denen Deutschland weitere Ziele verfolge, etwa in der Ukraine oder im Nahost-Konflikt. Krisen in Lateinamerika oder Afrika könnten dadurch in Vergessenheit geraten.
Das „Centre for Humanitarian Action“ wurde 2018 gegründet. Getragen wird die Denkfabrik von „Ärzte ohne Grenzen“, Caritas International, der Diakonie Katastrophenhilfe und dem Deutschen Roten Kreuz.