Berlin (epd). Nach dem Farbanschlag auf das Wohnhaus des Berliner Kultursenators Joe Chialo (CDU) hat die Polizei noch keine Spur zu möglichen Tätern oder Täterinnen. Die Ermittlungen dauerten an, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). In der Nacht zum Montag hatten Unbekannte die Fassade von Chialos Wohnhaus großflächig mit roter Farbe beschmiert. Außerdem hinterließen die Täter mehrere Schriftzüge mit den Worten „Genocide Joe Chialo“ (Deutsch: Genozid Joe Chialo). Der Vorfall löste bundesweit große Empörung aus.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, verurteilte die erneute Attacke scharf. „Dass der Berliner Kultursenator Joe Chialo für seinen mutigen Kampf gegen Antisemitismus in den letzten Tagen verbal und tätlich in strafrechtlich relevanter Weise angegriffen wurde, hat mich zutiefst erschüttert“, sagte Klein dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Dienstag). Mit den Schmierereien an Chialos Wohnhaus sei eine weitere Grenze überschritten worden.
Erst wenige Tage zuvor war der Kultursenator bei einem öffentlichen Auftritt in Berlin aus einer Gruppe von 40 Personen heraus tätlich angegriffen und beleidigt worden. Die Täter riefen unter anderem die verbotene israelfeindliche Parole „From the River to the Sea“ (Deutsch: „Vom Fluss zum Meer“).
„Die mutmaßlich von israelfeindlichen Gruppen begangenen Straftaten zeigen nicht nur die geistige Armseligkeit dieses Milieus, sondern auch seine Gefährlichkeit für die Demokratie“, sagte Klein. Er betonte, Polizei und Justiz seien nun gefordert, die Täter rasch zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen. „Derartige Einschüchterungsversuche werden uns nicht davon abbringen, den Kampf gegen Antisemitismus in aller Entschlossenheit weiterzuführen“, unterstrich er.
Die Attacke gegen Chialo war laut Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auch Thema der Senatssitzung. „Dass davon Kinder und die Frau von Joe Chialo betroffen sind, sind Dinge, die gar nicht gehen“, sagte Wegner am Dienstag.
Auch die Schriftstellervereinigung PEN Berlin sprach von einer inakzeptablen Verletzung der Privatsphäre Chialos. PEN Berlin-Sprecher Deniz Yücel erklärte: „Wir streiten gerne mit Joe Chialo, welche Mittel bei der Bekämpfung des Antisemitismus angemessen und wirkungsvoll sind und sich mit dem Grundgesetz, der Kunstfreiheit und dem Ideal vereinbaren lassen“. Aber wenn Chialo tätlich angegriffen werde, wenn sogar seine Familie in Mitleidenschaft gezogen werde, dann gebe es „nichts zu diskutieren“, betonte der Journalist: „Dann stehen wir an seiner Seite.“
Yücel hatte in der Vergangenheit deutliche Kritik an der „Antisemitismus-Klausel“ geäußert, die Chialo Ende vorigen Jahres eingeführt und nach der Kritik von Kulturschaffenden und Verfassungsrechtlern wieder zurückgezogen hatte. Auch gegenüber einer modifizierten Klausel ist Yücel nach eigenen Worten skeptisch.
Der Journalist und PEN Berlin plädieren für die Einbeziehung moderater palästinensischer Stimmen in die Diskussion um den Nahost-Konflikt. Zudem müsse vermieden werden, jede Kritik an der Netanjahu-Regierung unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen.