Berlin (epd). Im Streit um die Asylpolitik hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) offen für die Möglichkeit von Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze gezeigt. „Ich bin sehr offen für alles“, sagte Faeser am Donnerstag in Berlin. „Wenn wir weitere Möglichkeiten bei Zurückweisungen finden, ist das gut.“ Die dazu vereinbarte Prüfung gelte es jedoch erst abzuwarten. Auch die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) zeigte sich offen dafür.
„Meine Meinung ist: Wenn es rechtlich möglich sein sollte - und das muss sehr gründlich geprüft werden - dann sollten wir es tun“, sagte Behrens dem Nachrichtenportal „t-online“. Das sei möglicherweise „auch ein wichtiges Signal an die anderen EU-Länder“, ergänzte sie. „Dublin ist weitestgehend gescheitert“, sagte Behrens.
Mit dem Dublin-Abkommen haben sich die europäischen Staaten darauf verständigt, dass Asylsuchende in der Regel in dem Land aufgenommen werden und ihr Schutzgesuch geprüft wird, in dem sie in Europa angekommen sind. Reisen sie in ein anderes Land weiter, können sie dorthin zurückgeschickt werden. Das vereinbarte Verfahren sieht allerdings vor, dass die Zuständigkeit zunächst geprüft werden muss, weswegen Migranten, die ein Asylbegehren formulieren, an der Grenze nicht zurückgewiesen werden dürfen.
Die Union will das ändern und fordert Zurückweisungen an der Grenze. Am Dienstag waren Vertreter von Bundesregierung, Ländern und Unionsparteien zu Gesprächen über die Asylpolitik zusammengekommen, bei denen Faeser eine rechtliche Prüfung dieser Frage zugesagt hat.
CDU-Chef Friedrich Merz macht dabei Druck. „Die Bundesregierung weiß, dass es rechtlich zulässig und möglich ist, an den deutschen Außengrenzen zurückzuweisen“, sagte Merz am Donnerstag im brandenburgischen Neuhardenberg vor einer Klausurtagung des geschäftsführenden Vorstandes seiner Fraktion. „Wir brauchen hier keine langen Diskussionen mehr“, sagte Merz. Wenn sich die Bundesregierung zu einer schnellen Entscheidung nicht in der Lage sehe, „dann gibt es aus unserer Sicht keinen weiteren Beratungsbedarf, jedenfalls keinen mehr mit uns“.
Faeser ging auf das Ultimatum nicht ein. Sie verwies auf die rechtliche Prüfung und sagte, es gehe insgesamt um viele Maßnahmen, „nicht nur um die eine“. Sie verwies dabei auch auf die von der Bundesregierung geplanten Gesetzesänderungen unter anderem zur Kürzung von Sozialleistungen für ausreisepflichtige Flüchtlinge und gegen Islamismus.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte im „ARD Interview der Woche“, dass seine Partei auch bereit sei, an Änderungen des Grundgesetzes mitzuwirken, ohne einen konkreten Artikel zu nennen. Vertreter der FDP kamen zudem auf die Idee zurück, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. „Wir brauchen zwei Lösungen: Kurzfristig Zurückweisungen an den Grenzen und langfristig die Drittstaatenlösung“, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel der „Rheinischen Post“ (Freitag).
Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP) schlug bei „Welt TV“ vor, dies unter dem Dach der Vereinten Nationen in Ruanda zu tun, wo durch die Absage Großbritanniens an das Drittsstaaten-Modell Kapazitäten frei seien. Das Bundesinnenministerium hatte im Frühjahr zahlreiche Gutachten zur Prüfung der Drittstaaten-Regelung eingeholt. Sie kamen weit überwiegend zu dem Schluss, dass solch ein Modell wegen praktischer und rechtlicher Fragen schwer umsetzbar ist.
Die Grünen bleiben derweil bei ihrer Skepsis gegenüber Zurückweisungen. „Wir sind offen für Vorschläge, die auf dem Boden des Grundgesetzes und des EU-Rechts stehen. Alle Vorschläge zur Zurückweisung, die mir bisher bekannt sind, erfüllen diese Anforderung jedoch nicht“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Statt Zurückweisungen schlug sie gemeinsame Grenzpatrouillen Deutschlands mit Nachbarländern vor, um die Zahl einreisender Flüchtlinge zu begrenzen.