Berlin (epd). Zum zehnjährigen Bestehen der Gedenkstätte für von den Nationalsozialisten ermordete behinderte Menschen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einem neuen Klima der Ausgrenzung gewarnt. „Inhumanität beginnt im Denken“, sagte Steinmeier bei einem Festakt am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde am Montag in Berlin. Sie setze sich in der Sprache fort und führe zu verbrecherischen Taten, sagte er.
„Wenn heute zum Beispiel Kinder, die mit einer Beeinträchtigung durchs Leben gehen, wieder als 'Belastung' für unsere Gesellschaft und für andere Jugendliche stigmatisiert werden, dann sagen wir: Alle Kinder haben einen Anspruch auf bestmögliche Entwicklungsmöglichkeiten“, sagte Steinmeier. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, dessen Partei am Sonntag die meisten Stimmen bei der Landtagswahl in Thüringen erhielt, hatte im vergangenen Jahr für Empörung mit einem Interview gesorgt, in dem er die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen infrage stellte.
Jede und jeder solle die Möglichkeit haben, das Beste aus sich zu machen, sagte Steinmeier bei der Gedenkveranstaltung. Man dürfe nicht vergessen, was immer drohe, „wenn wir anfangen zu fragen und zu differenzieren, welches menschliche Leben denn lebenswert ist“. „Dann stehen Leben und Freiheit zur Disposition und sind fremder Verfügungsgewalt ausgesetzt“, mahnte er.
Der Gedenk- und Informationsort T4 erinnert seit 2014 an die Aktion T4 der Nazis, bei der mehr als 70.000 geistig und körperlich eingeschränkte Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten ermordet wurden. Insgesamt wurden laut Historikern in Einrichtungen des Deutschen Reichs 200.000 Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen in verdeckten Aktionen ermordet.