Berlin (epd). Erstmals seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban hat Deutschland wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Am Freitag wurden 28 afghanische Staatsangehörige nach Kabul gebracht, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mitteilte. Es handele sich um verurteilte Straftäter, „die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“. Die Bundesregierung unterhält derzeit keine offiziellen Beziehungen und zu Afghanistan und hielt sich bedeckt zu Fragen danach, wie die Abschiebung mit einem Charterjet von Qatar Airways praktisch möglich wurde.
Deutschland habe regionale Schlüsselpartner um Unterstützung gebeten, um die Rückführung zu ermöglichen, sagte Hebestreit, ohne konkrete Länder oder vereinbarte Bedingungen der Abschiebungen zu benennen. Die Verhandlungen habe federführend das Kanzleramt geführt, sagte er. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts verwies auf „technische Kontakte“ nach Afghanistan, betonte aber, es gebe „keine Bemühungen zu einer Normalisierung der Beziehungen“.
Amnesty International erklärte dagegen, die Bundesregierung riskiere durch die Abschiebungen, „sich zur Komplizin der Taliban zu machen“. Auch Pro Asyl erklärte, die Abschiebung „könnte Teil einer unverantwortlichen Normalisierung des Regimes werden“.
Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums wurde den Abgeschobenen von den jeweils betroffenen Bundesländern ein Handgeld von 1.000 Euro mitgegeben. Das Bundesinnenministerium habe eine Auszahlung in der Höhe empfohlen, teilte eine Sprecherin mit.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon vor längerer Zeit angekündigt, Straftäter und Gefährder auch nach Afghanistan und Syrien abschieben zu wollen. Wegen des Wiedererstarkens der Taliban hatte die Vorgängerregierung Abschiebungen nach Afghanistan im Sommer 2021 ausgesetzt. Für Syrien gilt wegen des dortigen Krieges ein Abschiebestopp. Syrien und Afghanistan sind die Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen in Deutschland.
Die Bundesregierung rechtfertigt die Abschiebungen mit dem deutschen Sicherheitsinteresse. Anders als bei früheren Abschiebungen nach Afghanistan machte die Bundesregierung keine genaueren Angaben zu den Personen und ihnen verübten Straftaten, sondern verwies auf die Bundesländer.
Nach Angaben der Länder Niedersachsen, Berlin, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, aus denen zusammen 13 der 28 Menschen abgeschoben wurden, befanden sich unter den Passagieren Männer, die wegen Sexualdelikten und schwerer Körperverletzung verurteilt wurden. Das bayerische Innenministerium teilte mit, dass auch eine wegen einer Betäubungsmittel-Straftat zu Freiheitsstrafen verurteilte Person abgeschoben wurde.
Andere Länder machten zunächst keine Angaben oder verwiesen ihrerseits für Details zurück ans Bundesinnenministerium. Schleswig-Holstein erklärte, der Bund habe die Entscheidung getroffen, welche Personen mit diesem Flug abgeschoben werden. Demnach hatte auch das Innenministerium in Kiel Straftäter gemeldet, von denen aber keiner abgeschoben wurde. Ebenso teilte das Brandenburger Innenministerium auf Nachfrage mit, dass von dort gemeldete Personen nicht abgeschoben wurden, weil bestimmte Kriterien nicht erfüllt waren, etwa Identitätsnachweise nicht vorlagen oder ein Großteil der Haftstrafe noch nicht verbüßt war. Auch aus Hamburg wurde nach Angaben des Innensenats niemand abgeschoben.
In Afghanistan ist die Bevölkerung seit der Machtübernahme der Taliban zwar nicht mehr von andauernden Kämpfen bedroht. Die Menschen sind aber der Willkür der Machthaber ausgesetzt. Die radikalislamischen Taliban zeigen keinerlei Kompromissbereitschaft bezüglich Menschenrechtsstandards, vor allem was die weitgehend von ihnen entrechteten Frauen und Mädchen betrifft. Die Staatengemeinschaft erkennt die Taliban-Regierung deshalb nicht an.