Ein Ende mit Entschuldigung

Ein Ende mit Entschuldigung
Vorwurf Volksverhetzung: Verfahren gegen Bremer Pastor eingestellt
Seit Jahren läuft ein juristischer Streit über Worte des Bremer Pastors Olaf Latzel, der sich abfällig über die Gender-Bewegung und Homosexuelle geäußert hatte. Nach mehreren Instanzen wurde das Verfahren nun gegen eine Geldauflage eingestellt.
28.08.2024
epd
Von Dieter Sell (epd)

Bremen (epd). Knapp fünf Jahre ist es her, als sich der Bremer Pastor Olaf Latzel in einer „biblischen Fahrschule zur Ehe“ abfällig über die Gender-Bewegung und über Homosexuelle äußerte. Worte, die einen langen juristischen Streit auslösten: Nach einem Schuldspruch am Amtsgericht, einem Freispruch durch das Landgericht und einer Revision am Oberlandesgericht wurde das Verfahren wiederum am Bremer Landgericht am Mittwoch neu aufgenommen. Aber nur kurz, denn auf Antrag der Verteidigung wurde es gegen eine Geldauflage vorläufig eingestellt. (Az.: 52 NBs 225 Js 26577/20)

Zuvor hatte sich der evangelische Theologe entschuldigt, „authentisch“, wie die Vorsitzende Richterin Frauke Wesemüller befand. Latzel muss nun binnen sechs Monaten 5.000 Euro an das Bremer Rat-und-Tat-Zentrum für queeres Leben zahlen. „Tut er das nicht, wird das Verfahren wieder aufgenommen“, erläuterte ein Gerichtssprecher die Einschränkung „vorläufig“.

Alle Verfahrensbeteiligten hatten sich mit der Einstellung nach Paragraph 153a der Strafprozessordnung einverstanden erklärt. Möglich wurde das auch, weil es Wesemüller zufolge nach der Entschuldigung kein öffentliches Interesse der Strafverfolgung und auch keine besondere Schwere der Schuld gibt.

Der 56-jährige Theologe der konservativen St. Martini-Gemeinde in der Hansestadt hatte im Oktober 2019 in einem zunächst gemeindeinternen Eheseminar von „Genderdreck“, „teuflischer Homolobby“ und „Verbrechern“ auf dem Christopher-Street-Day gesprochen. Das Bremer Amtsgericht verurteilte Latzel aufgrund dieser zeitweise auch im Internet auf dem reichweitenstarken Youtube-Kanal des Pastors veröffentlichten Worte im November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 90 Euro, also insgesamt 8.100 Euro. Entsetzte homosexuelle Menschen hatten den Prozess ins Rollen gebracht und den Pastor angezeigt.

In der nächsten Instanz sprach ihn das Landgericht in einer Berufung am 20. Mai 2022 frei. Die Begründung: Seine Äußerungen seien von der Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt. Dagegen hatte wiederum die Staatsanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht (OLG) der Hansestadt Revision eingelegt und Erfolg gehabt. Das Gericht monierte, das Urteil zum Freispruch sei lückenhaft gewesen.

Am Mittwoch sagte Latzel in einer persönlichen Erklärung vor Gericht, er habe in dem Eheseminar „Aussagen getroffen, die Menschen verletzt haben“. Das sei ein schwerer Fehler gewesen. Er distanziere sich von dieser „sprachlichen Entgleisung, die mir nicht hätte passieren dürfen. Ich bitte die Betroffenen aufrichtig um Entschuldigung.“

Mit der Einstellung gibt es keine Entscheidung in der Sache, also keine Bewertung, ob Latzels Worte die Menschenwürde verletzt haben und volksverhetzend waren oder nicht. Einig sei sich das Gericht, „dass das, was Pastor Latzel gesagt hat, nicht gut war“, bekräftigte Richterin Wesemüller. Nachdem sie die vorläufige Einstellung verkündet hatte, kam aus dem Publikum lauter Applaus.

Wäre der jetzt neu begonnene Prozess, für den zunächst vier Verhandlungstage angesetzt waren, bis zu einem Urteil geführt worden, wäre es danach wohl weitergegangen, möglicherweise noch über Jahre. Pastor Latzel, damit rechneten Beobachter, wäre weiter durch die Instanzen gegangen. Sein Verteidiger Sascha Böttner hatte schon nach dem Schuldspruch durch das Amtsgericht angekündigt, dass er notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen werde.

Latzel ist seit Dezember 2007 Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche. Aufgrund seiner Äußerungen hat die Kirchenleitung im Mai 2020 ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, das allerdings momentan ruht. Zur Einstellung des Verfahrens durch das Landgericht wollte sich die Kirchenleitung nach Angaben eines Sprechers mit einer schriftlichen Stellungnahme äußern - „zeitnah“.