Debatte um Konsequenzen aus Solingen geht weiter

Debatte um Konsequenzen aus Solingen geht weiter
Nach dem Messeranschlag in Solingen debattiert die Politik, welche Maßnahmen solche Bluttaten künftig verhindern können. Die einen setzen auf Abschiebungen. Andere fordern mehr Anstrengungen im Kampf gegen islamistische Propaganda.

Berlin (epd). Nach dem islamistischen Messeranschlag in Solingen hält die Debatte über Konsequenzen an. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), forderte am Dienstag mehr Anstrengungen gegen Islamismus. Auch der Islamwissenschaftler Michael Kiefer mahnte zu mehr Extremismus-Prävention. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dringt derweil auf konsequentere Abschiebungen.

Am Freitagabend hatte ein Messerstecher beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Solinger Stadtjubiläum Festbesucher attackiert. Drei Menschen wurden getötet und acht verletzt. Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus. Am Wochenende will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Stadt besuchen.

Dem mutmaßlichen Attentäter Issa Al H. wird die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen. Die Integrationsbeauftragte Alabali-Radovan forderte deshalb ein „starkes Präventions- und Frühwarnsystem“. Dazu gehörten mehr Aufklärung, mehr Beratung sowie „mehr Systeme, die früh erkennen, wenn jemand radikalisiert wird“. Einen besonderen Blick forderte sie dabei auf Messenger-Dienste und soziale Medien. Die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor sagte im Sender Phoenix, man solle „soziale Arbeit, so wie wir es im realen Leben kennen, zunehmend ins Netz verlagern“. Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht und auch der „Beratungsstelle Radikalisierung“ spielen soziale Medien für islamistische Propaganda eine wichtige Rolle.

Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Kiefer sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), bei den Forderungen etwa nach schnelleren Abschiebungen und einer Schließung der Grenzen stehe offensichtlich der Wahlkampf im Vordergrund und nicht das Ziel, solche Taten zu verhindern. „Das könnte sogar gefährlich werden, wenn darüber versäumt wird, tatsächlich notwendige Maßnahmen zu ergreifen.“ Kiefer sprach sich für eine bessere psychosoziale Betreuung in Flüchtlingsunterkünften aus, um Radikalisierung vorzubeugen. Zusätzlich sollten die Bewohner dafür sensibilisiert werden, problematische Entwicklungen den Behörden zu melden, forderte er.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Montag Maßnahmen gegen Islamismus angekündigt. Die Bundesregierung denkt aber auch über mögliche Änderungen in der Asylpolitik nach. Justizminister Buschmann kritisierte im „Morgenmagazin“ der ARD, dass bei Zehntausenden Dublin-Fällen, in denen ein anderer europäischer Staat für das Asylverfahren zuständig ist, die Abschiebung scheitere. Der Staat müsse konsequenter durchgreifen, sagte er. Von fast 75.000 gestellten Übernahmeersuchen aus Deutschland wurden im vergangenen Jahr laut Bundesinnenministerium rund 22.500 abgelehnt, knapp 56.000 bewilligt. Nur rund 5.000 Überstellungen fanden tatsächlich statt.

Die Union fordert weitergehende Verschärfungen in der Migrationspolitik. Am Dienstag traf sich CDU-Chef Friedrich Merz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). CDU-Generalsekretär Linnemann sagte zuvor im Deutschlandfunk: „Ich hoffe, dass der Bundeskanzler einsieht, dass es so nicht weitergehen kann.“

Kirchenvertreter mahnten derweil zu Vorsicht gegenüber pauschalen Urteilen und plakativen Antworten. „Die Allermeisten, die in unser Land geflohen sind, sind gut integriert und leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft“, sagte der Berliner Bischof Christian Stäblein. Der rheinische Präses Thorsten Latzel sagte dem epd: „Ich halte es für problematisch, wenn man Solingen jetzt einfach nur zur Chiffre, zum Symbol macht.“ Jetzt müsse man den Angehörigen der Getöteten und den verletzten Menschen Zeit und Raum für ihren Schmerz und ihre Trauer geben, sagte der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland. Derweil ermittelt die Polizei nach Kundgebungen mit Bezug zu dem islamistischen Anschlag in Solingen wegen fremdenfeindlicher Parolen.