Berlin (epd). In der Debatte um die Gestaltung eines Gesetzes für die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen findet es der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig zwingend, dass eine Zustimmung durch den Bundesrat nicht erforderlich ist. „Der Bund ist hier als 'ehrlicher Makler' in der Pflicht, weil die Länder ihrerseits als Schuldner der Staatsleistungen Partei sind“, sagte der Jura-Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Eine Zustimmungspflicht sei vom Grundgesetz nicht vorgesehen und dürfe es auch nicht geben, sagte er. Denn dann würde der Bund den Ländern eine nicht vorgesehene Veto-Position zugestehen. „Der Bund mag politisch auf die Länder besondere Rücksicht nehmen, aber er darf von Verfassung wegen nicht eine der beiden Parteien durch Verfahrensregeln bevorzugen“, sagte Heinig, der auch zur Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehört.
Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen.
Die Ampel-Koalition will diesen Verfassungsauftrag umsetzen und arbeitet aktuell an einem Gesetz, das den Rahmen für die Ablösung vorgeben soll. Konkret über die Modalitäten verhandeln müssen die Kirchen dann mit den Ländern, die die Leistungen zahlen. Diskutiert wird noch, ob das Bundesgesetz einer formellen Zustimmung des Bundesrats bedarf.
Den Vorschlag des CDU-Politikers Günter Krings, den Passus mit dem Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen aus der Verfassung zu streichen, lehnte Heinig ab. „Das Grundgesetz wurde seit 1949 oft geändert, die Religionsverfassung aber blieb bisher unangetastet“, sagte er. Das Ablösegebot sei „Bestandteil und Ausdruck des kooperativ-wohlwollenden Trennungsmodells des Grundgesetzes, kein Fremdkörper“.
Dieses kooperativ-wohlwollende Modell sei ohnehin angesichts der Erosion volkskirchlicher Strukturen und der Vertrauenskrisen infolge kirchlichen Versagens in Fällen sexualisierter Gewalt unter Druck. „Wer nun vorschlägt, einen Absatz zu streichen, stellt letztlich doch die religionsverfassungsrechtliche Ordnung insgesamt zur politischen Disposition“, sagte Heinig. Krings hatte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt, das Staat-Kirche-Verhältnis habe sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt. Daher stelle sich die Frage, ob sich der Verfassungsauftrag nicht überlebt habe.