Berlin (epd). Angesichts mutmaßlich vieler Todesfälle durch schwere Behandlungsfehler fordert der Medizinische Dienst Bund eine Meldepflicht. Zwar listet die am Donnerstag in Berlin veröffentlichte Jahresstatistik für 2023 nur 151 sogenannte Never Events auf, also Fehler, die niemals hätten passieren dürfen, beispielsweise verwechselte Patienten, Körperteile oder Medikamente. Das seien 14 Fälle weniger gewesen als 2022. Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Medizinischen Diensts, Stefan Gronemeyer, dürfte die Dunkelziffer aber deutlich höher liegen.
„Fachleute gehen davon aus, dass es in etwa einem Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und vermeidbaren Schäden kommt“, sagte Gronemeyer. „Demnach sind jedes Jahr 168.000 Patientinnen und Patienten davon betroffen. Die Experten gehen von circa 17.000 fehlerbedingten, vermeidbaren Todesfällen aus.“ Die diesjährige Statistik erfasste hingegen lediglich 75 Todesfälle.
Der Medizinische Dienst habe im vergangenen Jahr mehr als 12.000 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern angefertigt, hieß es. In jedem vierten Fall sei dabei ein Fehler festgestellt worden, in jedem fünften Fall sei der Fehler Ursache für einen Schaden gewesen, den Patientinnen oder Patienten erlitten hätten. Solche Gutachten würden aber nur dann angefertigt, wenn Patienten den Verdacht auf einen Behandlungsfehler äußern und sich deswegen an ihre Krankenkassen wenden, die solch ein Gutachten beauftragen kann.
Aus diesem Grund sage eine statistische Häufung in einem Sachgebiet nichts über das tatsächliche Fehleraufkommen dort aus, teilte der Medizinische Dienst mit. Fehler bei chirurgischen Eingriffen seien für Patienten in der Regel leichter zu erkennen als zum Beispiel Medikationsfehler. Die meisten der Vorwürfe (29,5 Prozent) beträfen daher die Orthopädie und die Unfallchirurgie. Rund zwei Drittel aller Vorwürfe bezogen sich auf den stationären Sektor, meist Kliniken.