Frankfurt a.M. (epd). Zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Jesiden haben die Vereinten Nationen und die Europäische Union zur internationalen Zusammenarbeit aufgerufen, um die Situation der Jesiden zu verbessern. Die Verantwortlichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, heißt es in Erklärungen der beiden Organisationen, die am Samstag veröffentlicht wurden.
Die jesidische Gemeinschaft im Irak stehe nach wie erheblichen Herausforderungen gegenüber, heißt es einer Mitteilung des EU-Außenbeauftragten Josep Borell. Vertriebene würden nach wie vor daran gehindert, in ihre Heimat zurückzukehren. In einem Positionspapier der UN-Syrien-Kommission heißt es, noch immer befänden sich Jesiden, darunter auch jesidische Frauen und Kinder, wegen ihrer vermeintlichen Nähe zum sogenannten Islamischen Staat unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern in Nordostsyrien. Dort würden sie oftmals ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten.
Am 3. August 2014 hatten Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ die Sindschar-Region im Nordirak überfallen. Tausende Angehörige der dort beheimateten jesidischen Gemeinschaft wurden verschleppt oder getötet. Etwa 7.000 Frauen und Kinder wurden entführt, misshandelt, zur sexuellen Sklaverei gezwungen oder als menschliche Schutzschilde benutzt, heißt es in dem UN-Bericht. Immer noch werden nach Angaben von Amnesty International schätzungsweise 2.600 Menschen vermisst.
Der Bundestag erkannte die Gewalttaten des IS 2023 als Völkermord an. Eine Rückkehr der Jesiden aus den Flüchtlingslagern in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak oder aus dem Exil ist nach Angaben des Zentralrats der Eziden in Deutschland wegen mangelnder Sicherheit bisher nicht möglich.
Die UN-Kommission forderte in ihrem Bericht, dass Jesiden die Möglichkeit haben sollten, zwischen einer Rückkehr in den Irak, einer Familienzusammenführung oder einer Neuansiedlung in Drittstaaten zu wählen. Sie unterstützt zudem Forderungen nach der Einrichtung eines internationalen Entschädigungsfonds für die Überlebenden des Völkermords. Die Kommission forderte die internationale Gemeinschaft auch auf, Geld für humanitäre Hilfe bereitzustellen, einschließlich Geld für eine geschlechter- und altersgerechte Gesundheitsversorgung, psychosoziale Hilfe sowie Bildung.
In Deutschland gedachten am Samstag in der Frankfurter Paulskirche Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft den Opfern des Völkermords an der Glaubensgemeinschaft, deren Wurzeln bis ins 2. Jahrtausend vor Christus zurückreichen. „Wir stehen zusammen, um das Leid zu würdigen und unsere Entschlossenheit zu erneuern, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, Irfan Ortac.
Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), forderte, Jesiden müssten Sicherheit in ihrer früheren Heimat im nordirakischen Sindschar bekommen, um zurückkehren zu können. Niemand könne wollen, dass der sogenannte Islamische Staat Jahre nach seiner Niederlage sein Ziel erreiche, indem Jesiden ihrer Heimatregion den Rücken kehrten.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der auch für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an dem Gedenkakt teilnahm, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Schmerz über die IS-Verbrechen sei nach wie vor groß in der Gemeinschaft. In Deutschland lebe die größte Gemeinschaft außerhalb ihrer Heimat. Für sie ist es außerordentlich wichtig, dass ihr Leid in Deutschland wahrgenommen werde.