Frankfurt a.M. (epd). Die Jesiden in Deutschland haben am Samstag in der Frankfurter Paulskirche des zehnten Jahrestags des Völkermords an ihrer Gemeinschaft gedacht. „Wir stehen zusammen, um das Leid zu würdigen und unsere Entschlossenheit zu erneuern, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, Irfan Ortac, laut Manuskript.
Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), forderte, Jesiden müssten Sicherheit in ihrer früheren Heimat im nordirakischen Sindschar bekommen, um zurückkehren zu können.
„Wir müssen gemeinsam die von Leid überzogene und einmalige weltgeschichtliche Kulturregion erhalten und stärken“, sagte Schwabe laut Redemanuskript. „Niemand kann wollen, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) Jahre nach seiner Niederlage sein Ziel erreicht, indem Jesiden ihrer Heimatregion den Rücken kehren.“ Die Angst vor neuerlichen Angriffen in der Region sei stetig präsent, daher müsse Sicherheit hergestellt werden. Opfern und ihren Angehörigen müsse Gerechtigkeit widerfahren und die Gräueltaten juristisch geahndet werden. Auch der irakische Außenminister Fuad Hussein nahm an der Veranstaltung teil.
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber sagte, das grausame Schicksal der Jesidinnen und Jesiden führe vor Augen, was es bedeute, wenn Menschen das Menschsein abgesprochen werde. Der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sagte laut Redemanuskript, Christen hätten auch eine besondere Sensibilität für heilige Orte. „Daher ist es eine Verpflichtung, auch dafür Sorge zu tragen, dass die ezidische Glaubensgemeinschaft an ihrem angestammten Ort eine Zukunftsperspektive hat.“ Zugleich gelte: „Wir dürfen die Menschen nicht einer Situation existenzieller Bedrohung ausliefern.“ Deshalb bleibe auch die Unterstützung jesidischer Geflüchteter an ihren heutigen Lebensorten wichtig.
Der Zentralrat der Eziden in Deutschland hatte im Vorfeld des Gedenktages gefordert, das Bewusstsein für den Völkermord aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen. Die internationale Gemeinschaft solle ihre Unterstützung für einen Wiederaufbau der nordirakischen Sindschar-Region verstärken. Die Justiz weltweit solle gegen die Verantwortlichen für die Gräueltaten ermitteln und sie vor Gericht stellen.
Am 3. August 2014 hatten Kämpfer des „Islamischen Staats“ die Sindschar-Region im Nordirak überfallen. Tausende Angehörige der dort beheimateten jesidischen Gemeinschaft wurden verschleppt oder getötet. Immer noch werden nach Angaben von Amnesty International schätzungsweise 2.600 Menschen vermisst. Der Bundestag erkannte die Gewalttaten des IS an den Jesiden 2023 als Völkermord an. Eine Rückkehr der Jesiden aus den Flüchtlingslagern in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak oder aus dem Exil ist nach Angaben des Zentralrats mangels Sicherheit bisher nicht möglich.