Berlin (epd). In Deutschland mangelt es nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte an sicheren Unterkünften für Opfer von Arbeitsausbeutung. Der bestehende Schutz werde den Betroffenen nicht gerecht, sagte die Leiterin der beim Institut angesiedelten Berichterstattungsstelle Menschenhandel, Naile Tanis. Oftmals würden Betroffene mangels adäquater Unterkünfte in Flüchtlingsheimen oder Notunterbringungen für Wohnungslose gebracht.
Dabei sei Deutschland nach der Europaratskonvention gegen Menschenhandel verpflichtet, die Opfer von Ausbeutung zu schützen. Es könne und dürfe nicht sein, dass Menschen, die ausgebeutet wurden und sich an eine Beratung wenden, nicht vor Tätern geschützt untergebracht werden könnten, sagte sie. Tanis zufolge gibt es angemessene Unterkünfte zwar oft für Frauen, die Opfer sexueller Ausbeutung sind. Es mangele aber an Plätzen für Opfer von Arbeitsausbeutung, oft Männer oder Paare.
Der Bereichsleiter der Beratungsstelle „Arbeit und Leben“ in Nordrhein-Westfalen, Pagonis Pagonakis, erläuterte, dass übliche Notschlafstellen oft Tätern bekannt seien und Opfer nicht selten dort aufgesucht und drangsaliert würden. Arbeitsausbeutung gibt es seinen Angaben zufolge in vielen Branchen, insbesondere in der häuslichen Betreuung, der Landwirtschaft, im Bausektor und in der Fleischindustrie. Das Spektrum reiche von drastischen Einzelfällen bis zu „mafiösen Strukturen“, bei denen systematisch über Leiharbeitsfirmen Menschen ausgebeutet würden.
Das Bundeskriminalamt gab für sein Lagebild 2022 mehr als 1.000 Opfer von Arbeitsausbeutung an. Es war eine ungewöhnliche hohe Zahl, weil in diesem Jahr ein Großverfahren mit mehr als 550 Opfern abgeschlossen wurde. Das Institut für Menschenrechte geht aber auch von einem hohen Dunkelfeld aus. Zudem würde längst nicht in allen Fällen ermittelt, sagte Pagonakis. In vielen Fällen sagten Opfer nicht aus, auch aus Angst vor den Tätern.