Berlin (epd). Die umstrittene Novelle des deutschen Klimaschutzgesetzes kann in Kraft treten. Wie das Bundespräsidialamt am Montag in Berlin mitteilte, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die im Frühjahr vom Bundestag beschlossene Novelle ausgefertigt. Sie bedeutet ein Ende der sogenannten Sektorenziele, die jedes einzelne Ministerium beim Klimaschutz in die Pflicht nahm. Künftig muss die Bundesregierung als Ganzes das Erreichen der Klimaziele sicherstellen, kann also Sektoren verrechnen. Klimaschützer wollen dagegen Verfassungsbeschwerden einlegen.
Das Bundespräsidialamt teilte mit, dass die dort erfolgte Prüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, „dass evidente Verfassungswidrigkeit nicht gegeben ist“. Im Mittelpunkt der Prüfung habe die Vereinbarkeit mit den Vorgaben gestanden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimaschutzbeschluss im März 2021 aufgestellt habe. Das höchste deutsche Gericht hatte damals die Bundesregierung verpflichtet, mehr zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu unternehmen.
In der Folge wurde das deutsche Klimaschutzgesetz verabschiedet, das jedes Ministerium zur Einhaltung bestimmter Klimaziele verpflichtete. In den Bereichen Bau und Verkehr wurden die Vorgaben gerissen. Die Ministerien hätten daraufhin nach dem alten Gesetz Sofortprogramme vorlegen müssen. Mit der Novelle ist dies nicht mehr der Fall.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erhalte damit einen Freifahrtschein für die Klimaschutzlücke im Verkehrsbereich, kritisierte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch. Sein Verband gehört zu einer Reihe von Organisationen, die insgesamt drei Verfassungsbeschwerden gegen die Reform des Klimaschutzgesetzes angekündigt haben, sollte Steinmeier es unterzeichnen. „Unsere 200 Seiten Klageschrift sind fertig und werden eingereicht, sobald das Gesetz in Kraft tritt“, erklärte Resch am Montag.
Auch der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), der gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Einzelklägerinnen und -klägern juristisch gegen die Novelle vorgehen will, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir werden eine Verfassungsbeschwerde einreichen.“ Die Organisationen Greenpeace und Germanwatch, die sich für die dritte Beschwerde zusammengeschlossen haben, erklärten jeweils auf Anfrage, sie würden noch bis Ende August Mitkläger sammeln und die Beschwerde dann im September einreichen.
Die Umweltschutzverbände sehen in der Änderung eine Entkernung des ursprünglichen Klimaschutzgesetzes und fürchten, dass Deutschland seine Klimaziele damit nicht einhalten kann. Der Bundestag hatte die Novelle Ende April beschlossen. Der Bundesrat billigte die Reform im Mai. Bislang fehlte aber noch die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten.
Die Bundesregierung zeigte sich angesichts der schon länger bekannten Klagedrohungen am Montag gelassen. Auf die Frage, ob die Regierung weiter davon überzeugt sei, dass ihr Gesetz mit der Verfassung vereinbar sei, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: „Ja, davon sind wir überzeugt.“