Experte zu Körpererkundungen unter Kita-Kindern: Völlig normal

Experte zu Körpererkundungen unter Kita-Kindern: Völlig normal
12.07.2024
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell

Bremen (epd). Körpererkundungen unter Kita-Kindern auch im Intimbereich sind aus Sicht des promovierten Bremer Diplom-Pädagogen Carsten Schlepper völlig normal. „Kinder lernen mit allen Sinnen, auch, was die geschlechtlichen Unterschiede angeht“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn allerdings Macht und Gewalt ins Spiel kämen, „ist die Grenze sofort erreicht“.

In jüngster Zeit gibt es immer wieder Berichte zu übergriffigem Verhalten unter Kita-Kindern. Unabhängig davon sagte Schlepper: „Wo Kinder zusammenkommen, findet das statt: Körperlichkeit und miteinander umgehen.“ Auch wenn es wuselig sei, fänden Kinder ruhige Orte, an denen für sie gegenseitige Körpererkundungen möglich seien: „hinter dem Schuppen, in einer selbstgebauten Höhle, in den Waschräumen.“

Doch wo ein Kind einem anderen Kind etwas aufzwinge, sei die Grenze. Das könne in der Kita passieren, weil dort Kinder in unterschiedlichem Alter zusammen seien, weil es Anführerinnen und Anführer gebe. „Die wichtigste Überschrift in diesem Zusammenhang lautet: Ich lerne als Kind, gegenüber jedem 'Nein' zu sagen. Ich weiß, dass ich 'Nein' sagen darf, weil es mein Körper ist.“

Das lernen Kinder laut Schlepper aber nicht nur, wenn es um Körpererkundungen geht, sondern in allen Situationen in der Gruppe. Es gehe um klare Regeln. „Und zu Hause spielt das auch eine Rolle, wo es unter anderem darauf ankommt, mit welchem Respekt die Eltern ihren Kindern begegnen.“ In diesem Zusammenhang sei es wichtig, mit den Eltern offen über das pädagogische Konzept der Kita zu sprechen. Es gehe um Vertrauen, „um die Versicherung, dass wir auf einer gemeinsamen Welle surfen“.

Kinder müssten Orte haben, an denen sie sich unbeobachtet fühlten, betonte Schlepper. „Und es ist trotzdem wichtig, dass man sie im Blick behält.“ Das sei nicht in jeder Sekunde möglich. „Aber wir wissen, wie sich die Kinder entwickelt haben und bei wem man eingreifen muss, bei wem ich hin und wieder um die Ecke schaue. Verdeckt, oder auch ganz offen, in dem ich hingehe und frage: Na, was macht ihr denn gerade?“

Damit die Mitarbeitenden einer Einrichtung ihrer Aufsichtspflicht gerecht werden können, muss Schlepper zufolge genügend Personal vorhanden sein, das sich mit den Kindern gut auskennt. Eine für wenige Tage eingesetzte Vertretungskraft könne diese Verantwortung nicht übernehmen. Ohne genügend qualifiziertes Personal müsse im Zweifel der Betrieb reduziert oder eingestellt werden.

Wenn ein Kind tatsächlich massive Übergriffe erlebt habe, müsse es Hilfe bekommen, in schweren Fällen auch mit therapeutischer Kompetenz. Auch ausführende Kinder benötigten Hilfe, verdeutlichte Schlepper. Bei ihnen tauche zudem die Frage auf, wie sie darauf gekommen seien. „Hat das Kind Bilder gesehen und will das jetzt nachmachen? Oder ist womöglich mit ihm so etwas gemacht worden?“