Berlin (epd). Eine Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes wäre laut einem Rechtsgutachten nicht mit EU-Recht vereinbar. Die EU-Richtlinie dürfe nicht zum Anlass genommen werden, eine Absenkung eines bereits erreichten nationalen Schutzniveaus zu bewirken, heißt es in dem am Mittwoch von Germanwatch und Oxfam veröffentlichten Gutachten.
Die Bundesregierung hatte vergangenen Freitag bei der Vorstellung der Eckpunkte des Bundeshaushalts angekündigt, Unternehmen durch den Wegfall von Berichtspflichten bedingt durch das Lieferkettengesetz zu entlasten. Zwei Drittel der Unternehmen, für die es jetzt gelte, würden dann nicht mehr darunter fallen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Zudem sollen die Regelungen des EU-Lieferkettengesetzes zum „spätmöglichsten Zeitpunkt“ in Deutschland umgesetzt werden.
Laut der Autorin des Rechtsgutachtens und Professorin an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, Anne-Christin Mittwoch, sind die Pläne der Bundesregierung nicht im Einklang mit EU-Recht. „Die Anzahl der vom deutschen Gesetz erfassten Unternehmen mit Verweis auf die Richtlinie zu reduzieren - wie jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagen - wäre europarechtswidrig“, sagte sie. Grund hierfür sei das Verschlechterungsverbot der EU-Richtlinie.
Die Umweltorganisation Germanwatch sieht eine Abschwächung auch mit Blick auf laufende Beschwerden kritisch. „In der Praxis könnte das bedeuten, dass Betroffene, die derzeit vor deutschen Behörden um ihre Rechte kämpfen, mitten im Verfahren hängen gelassen werden, weil das involvierte Unternehmen plötzlich von seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen entbunden wird“, sagte die Leiterin des Bereichs Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, Cornelia Heydenreich.
Die Regelungen sollen die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Standards in Lieferketten sicherstellen. Das deutsche Lieferkettengesetz gilt seit 2023. Die EU-Richtlinie wurde im Mai final verabschiedet und muss nun von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht übersetzt werden.