Dresden (epd). Knapp zwei Monate vor der Landtagswahl sieht Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) deutliche Anzeichen einer Politikverdrossenheit in breiten Bevölkerungsschichten. Bei der Europawahl vom 9. Juni habe die Bevölkerung der Politik ein sehr deutliches Zeugnis ausgestellt, sagte der CDU-Politiker dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dresden. Die Menschen seien „nicht mehr länger bereit zuzuschauen, dass die aus ihrer Sicht drängenden Themen nicht gelöst werden“.
Kretschmer unterstrich: „Das Vertrauen in die Demokratie, den Rechtsstaat und die Parteien schwindet.“ Viele hätten Protest gewählt. „Was mich am meisten beunruhigt ist, dass die Bundesregierung dieses Alarmsignal offensichtlich auch weiter ignoriert“, sagte der sächsische Regierungschef weiter.
Er kämpfe sehr dafür, dass die Landtagswahl am 1. September eine Sachsen-Wahl wird. Voraussetzung dafür seien allerdings Problemlösungen bei Migration, Ukraine-Krieg oder im Agrarbereich, vor allem auf Bundesebene: „Sonst sehen wir am 1. September ähnliche Ergebnisse wie jetzt bei der Europawahl.“
Von einer neuen Spaltung zwischen Ost und West wollte Kretschmer mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl dennoch nicht sprechen. Diese Frage lenke von den eigentlichen Problemen ab: „Es ist doch letztlich egal, ob die AfD nun 15 oder 25 Prozent bekommt.“ Überall in Deutschland sei das Signal eindeutig, sagte Kretschmer dem Evangelischen Pressedienst. Die Menschen wollten eine Klärung der Migrationsfrage, einen anständigen Umgang mit den Bauern und dass Deutschland nicht in einen Krieg mit Russland hineingezogen werde. Die Menschen in Ostdeutschland seien in diesen Fragen aufgrund ihrer eigenen Geschichte noch sensibler, fügte er hinzu.
Nach Überzeugung Kretschmers sind es vor allem junge Leute, „die wie ein Seismograf der gesellschaftlichen Stimmungen wirken“. Diese seien nicht ideologisch: „Sie haben klare Sensoren, in Sachen Klimaschutz, aber auch im Hinblick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung.“ Junge Menschen hätten in der aktuellen Politik „das Gefühl, dass der Zeitgeist eine Bedrohung wird für ihre Chancen in der Zukunft“. Sie suchten wieder Halt und Identität.