Berlin (epd). Laut der Hilfsorganisation Oxfam ist die Angst vor einer Steuerflucht deutscher Superreicher bei einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer unbegründet. Das sei ein „stark verfestigtes Narrativ“ in der gesamten Gesellschaft, selbst bei Befürworterinnen und Befürwortern der Vermögenssteuer, sagte Oxfam-Referent Manuel Schmitt am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie zu Steuergerechtigkeit. Die Angst sei jedoch nicht nötig, weil Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten sehr umfassende und auch international vorbildliche Regeln etabliert habe, um „die Steuerflucht massiv erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen“.
Die Studie „Keine Angst vor Steuerflucht“, die Oxfam gemeinsam mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit herausgegeben hat, soll laut Schmitt auch einen Beitrag zu der aktuellen Haushaltsdebatte leisten. „Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag unter anderem bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die Tagesordnung setzen“, forderte Schmitt.
Den Ergebnissen der Studie zufolge hat das Aussetzen der Vermögenssteuer seit 1996 bisher ein Minus von mehr als 380 Milliarden Euro in die Kasse gerissen, das entspreche 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024. Mit der Steuer könnte laut Oxfam dringend nötiges Geld für den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz aufgebracht werden.
Steuerflucht sei weniger attraktiv, als viele Menschen denken, schreiben die Studienautoren. Unter den 226 deutschen Milliardären befänden sich wohl auch deswegen nur 29 Steuerflüchtlinge. Sieben der Steuerflüchtigen flohen demnach zwischen 1953 und 1972, in der die Abwehrmaßnahmen aus historischen Gründen ausgesetzt waren. Zwölf nutzten vermutlich legale und illegale Lücken, die im Nachhinein alle in mehreren Schritten geschlossen wurden. Und bei zehn der 29 geflohenen Milliardäre wurde laut der Autoren wahrscheinlich eine Wegzugsteuer fällig, oder die Vermögenswerte wurden vor dem Wegzug verkauft und somit in Deutschland versteuert.
An einem fiktiven Beispiel der BMW-Erbin Susanne Klatten zeigen die Autoren der Studie, welche abschreckende Wirkung geltende Regeln wie die Wegzugsbesteuerung entfalten können. So müsste Klatten mit ihren geerbten BMW-Anteilen und ihrem aus den BMW-Dividenden gewachsenen Vermögen, sollte sie heute ins Ausland ziehen, schätzungsweise 6,5 Milliarden Euro Steuern zahlen, was etwa 30 Prozent ihres geschätzten Vermögens entspräche.
„Die Studie zeigt ganz klar: Der Kampf gegen Steuerflucht ist vor allem eine Frage des politischen Willens“, sagte Schmitt. Die Angst vor der Steuerflucht sei irrational, bekräftigte der Studienautor Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Es sei Zeit für eine rationale Debatte über die Besteuerung großer Vermögen.
Bei ihrer Kalkulation zu den finanziellen Ausfällen rechneten die Studienautoren mit einer Weiterentwicklung der jährlichen Steuereinnahmen wie im Schnitt der vergangenen Jahre vor Aussetzen der Vermögenssteuer. Der Berechnung zufolge wären die jährlichen Einnahmen aus der Vermögensteuer bis 2023 auf etwa 30 Milliarden Euro gestiegen und hätten sich bis zum Jahr 2023 auf mindestens 380 Milliarden Euro summiert.