Jerusalem (epd). Nach dem Urteil des Obersten Gerichts zur Wehrpflicht ultraorthodoxer Juden in Israel gibt es heftige Proteste. In Jerusalem protestierten Tausende ultraorthodoxe Männer gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts von vergangener Woche. Laut israelischen Medien kam es am Sonntagabend zu Zusammenstößen mit der Polizei, die unter anderem mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vorging. Wie die israelische Zeitung „Times of Israel“ am Montag berichtete, trugen die Demonstranten Schilder mit Aufschriften wie „Wir werden lieber sterben als einzutreten“ und „Wir werden nicht in die feindliche Armee eintreten“. Laut dem Bericht sollen mehrere Polizisten bei den Auseinandersetzungen verletzt worden seien.
Das Oberste Gericht hatten entschieden, dass auch ultraorthodoxe Religionsschüler wehrpflichtig sind. Ihre Befreiung von der Wehrpflicht war jahrzehntelange Praxis in Israel, aber im Zuge des Gaza-Krieges und des Konflikts mit der Hisbollah-Miliz im Libanon verstärkt in die Kritik geraten. Die Richterinnen und Richter sahen nun keine ausreichende juristische Grundlage mehr für die Ungleichbehandlung von Studenten jüdischer Religionsschulen (Jeschiwas) und anderen Wehrpflichtigen.
Die Armee warnte aufgrund des langwierigen Einsatzes an zwei Fronten vor einem Truppenmangel. Das Urteil und die jüngsten Proteste könnten zudem Auswirkungen auf die Regierungskoalition haben. Mehrere streng religiöse Parteien hatten vor der Urteilsverkündung damit gedroht, die Koalition zu verlassen, sollte es Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nicht gelingen, die Privilegien der Ultraorthodoxen aufrechtzuerhalten.
Streng-religiöse Strömungen üben seit jeher einen hohen Einfluss auf die Politik aus. Bereits der erste Premierminister Israels, David Ben-Gurion, stimmte einer Wehrpflichtbefreiung für Ultraorthodoxe zu, um politische Mehrheiten zu sichern. Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 ist die Zahl der sogenannten Haredim - wie ultraorthodoxe Juden genannt werden - jedoch stark angestiegen.