Berlin (epd). Mehrere Umweltverbände haben Verfassungsbeschwerden gegen das reformierte Bundesklimaschutzgesetz angekündigt. Sie erklärten am Mittwoch in Berlin, sobald Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterschreibe, würden drei Beschwerden eingereicht. Das novellierte Klimaschutzgesetz ist von Bundestag und Bundesrat beschlossen, aber noch nicht vom Bundespräsidenten ausgefertigt und daher bisher nicht in Kraft getreten. Den Verfassungsbeschwerden haben sich Einzelklägerinnen und -kläger angeschlossen.
Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer sagte: „Die Regierung hat die Verpflichtung, uns vor der Klimakrise zu schützen“. Klimaschutz sei ein Menschenrecht. Es dürfe nicht von der Stimmungslage in der Ampel-Koalition abhängen, ob Politik zur Erreichung der Klimaziele gemacht werde oder nicht. Neubauer betonte, allen Beteiligten wäre es lieber, wenn man nicht gegen die eigene Regierung klagen müsse.
Beschwerdeführer sind die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Solarenergie-Förderverein (SFV). Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das novellierte Klimaschutzgesetz der Ampel-Regierung. Im Kern geht es der Hamburger Klimajuristin Roda Verheyen zufolge darum, die Freiheitsrechte heutiger und künftiger Generationen zu verteidigen und die Regierung zum Handeln zu zwingen.
Als Beispiel nannte die Juristin den Verkehrssektor, der bisher noch in keinem Jahr die gesetzlich festgelegten Minderungsziele erreicht hat. Ein Tempolimit heute, das den CO2-Ausstoß nachweislich reduziere, sei ein geringfügiger Eingriff. In der Zukunft drohe aber etwa Menschen auf dem Land, „dass sie nicht mehr von A nach B kommen“, wenn beispielsweise Fahrverbote erlassen werden müssten. Das sei ein massiver Eingriff in die Grundrechte.
Deutschland muss ab 2045 klimaneutral wirtschaften. Bis 2030 müssen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken, bis 2040 um 88 Prozent. DUH- Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte SPD, Grüne und FDP verweigerten ihre Pflicht zu handeln und müssten dazu gerichtlich gezwungen werden. Die DUH habe bisher alle ihre Klimaklagen gewonnen, derweil gehe aber „das Schau-Rasen auf deutschen Straßen weiter“, und der Staat subventioniere die Klimaschädigung mit Steuermilliarden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in einem Urteil von 2021 die Bundesregierung verpflichtet, mehr zu tun, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, zu dem sich Deutschland verpflichtet hat. Daraufhin beschloss die damalige große Koalition das Klimaschutzgesetz, das für verschiedene Sektoren wie Verkehr, Industrie, Gebäude oder Energiewirtschaft konkrete Treibhausgas-Minderungsziele vorschreibt und die Ministerien verpflichtet, jährlich nachzusteuern, wenn diese nicht erreicht werden.
Mit der Gesetzesnovelle der Ampel-Koalition soll eine pauschale und zeitlich gedehnte Steuerung eingeführt werden, für die nicht mehr die einzelnen Ressorts verantwortlich sind. Kritiker sprechen von einer „Entkernung des Klimaschutzgesetzes“, mit der Folge, dass Treibhausgas-Reduktionsmaßnahmen von diesem Jahrzehnt in die 2030er Jahre aufgeschoben werden könnten.