Berlin (epd). Deutschland wächst weniger stark als noch vor zehn Jahren angenommen. Zum Stichtag 15. Mai 2022 lebten 82,7 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, wie aus den am Dienstag in Berlin vorgestellten Ergebnissen des Zensus 2022 hervorgeht. Das waren 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner mehr als bei der Zählung 2011, allerdings auch 1,4 Millionen weniger als in der Bevölkerungsfortschreibung prognostiziert, wie die Präsidentin des Statistischen Bundesamts, Ruth Brand, erläuterte.
Sie stellte erste Ergebnisse der alle zehn Jahre stattfindenden, umfassenden Erfassung der Bevölkerung und ihrer Wohnsituation. Der Zensus sei „eine Art Inventur für Deutschland“, sagte Brand. Seine Ergebnisse sind beispielsweise relevant für Verkehrs-, Kita- oder Schulplanung. Die ersten Auswertungen der Statistiker geben Auskunft zu Wohnungsgrößen, Heizarten und Mieten in Deutschland.
Den Ergebnissen zufolge ist die durchschnittliche Wohnfläche in den vergangenen gut zehn Jahren in Deutschland um drei Quadratmeter auf 94,4 pro Wohnung gestiegen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stieg sie sogar um fünf Quadratmeter. Menschen in den ostdeutschen Bundesländern leben aber insgesamt in kleineren Wohnungen: Betrug die durchschnittliche Wohnfläche in Sachsen etwa 79,1 Quadratmeter, lag sie in Rheinland-Pfalz bei 107,7 Quadratmeter.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete in Deutschland lag 2022 laut Zensus bei 7,28 Euro pro Quadratmeter, fällt aber regional höchst unterschiedlich aus. Die niedrigste Nettokaltmiete hatte im Schnitt Sachsen-Anhalt (5,38 Euro), die teuerste Hamburg (9,12 Euro). In den Großstädten ist das Wohnen zur Miete am teuersten, insbesondere in München (12,98 Euro netto kalt), Frankfurt am Main (10,58 Euro) und Stuttgart (10,39 Euro).
Die Hauptstadt Berlin liegt mit einer Durchschnittskaltmiete von 7,67 Euro etwas über dem Bundesschnitt. Die teuerste ostdeutsche Großstadt ist Potsdam mit 7,85 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Je neuer ein Gebäude ist, desto höher ist in der Regel die Miete. Ausnahme dabei ist Hamburg: Dort sind Wohnungen mit einem Baujahr vor 1919 (11,05 Euro netto kalt) fast genauso teuer wie ab 2016 entstandene Neubauten (11,78 Euro).
Bei den Heizungen gilt wiederum: Je neuer ein Gebäude ist, desto höher ist der Anteil an Wärmepumpen, Solar- oder Geothermie. Dem Zensus zufolge spielen regenerative Heizquellen in Deutschland insgesamt aber eine untergeordnete Rolle. Zum Stichtag wurden nur vier Prozent der Wohnungen mit Holz oder Holzpellets, drei Prozent mit Solar- oder Geothermie sowie Umwelt- oder Abluftwärme, in der Regel also Wärmepumpen, beheizt. Drei Viertel aller Wohnungen in Deutschland werden mit Gas (56 Prozent) oder Öl (19 Prozent) beheizt, 15 Prozent mit Fernwärme, wobei die Energiequelle dabei nicht erfasst ist.
Dass die Bevölkerungszahl im aktuellen Zensus so stark von der Bevölkerungsprognose abwich, ist den Angaben zufolge mit der Entwicklung der ausländischen Bevölkerung zu erklären. Zum Stichtag im Mai 2022 lebten 10,9 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland und damit eine Million weniger als angenommen.
Brand räumte allerdings mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ein, der Stichtag sei in eine unruhige Zeit gefallen. Nicht immer hätten sich Wanderungsbewegungen bereits zum Stichtag vollständig in den Registern erfassen lassen, erläuterte die Bundesamtspräsidentin. Ukrainer, die seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022, konnten sich zunächst für 90 Tage ohne Visum in einem EU-Land aufhalten und wurden zum Teil erst später registriert.
Für den Zensus hat das Statistische Bundesamt Melderegister ausgewertet und gut zehn Prozent der Bevölkerung befragt. Zudem mussten Wohneigentümer und Wohnungsunternehmen Auskunft zu Bestand, Heizform, Miete sowie Gründen und Dauer von Leerständen geben. Von rund 43,1 Millionen Wohnungen in rund 20 Millionen Gebäuden standen zum Stichtag rund zwei Millionen Wohnungen leer.