Antisemitismus: Klein für Verschärfung des Strafrechts

Antisemitismus: Klein für Verschärfung des Strafrechts
Die Zahl der registrierten antisemitischen Vorfälle ist nach dem Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober sprunghaft gestiegen. Experten schlagen deswegen Alarm. Besonders im Strafrecht und im Bildungsbereich seien Veränderungen nötig.

Berlin (epd). Angesichts wachsender Judenfeindlichkeit hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Ergänzungen des Strafrechts gefordert. Bei der Vorstellung des Jahresberichts des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) rief er am Dienstag in Berlin dazu auf, auch antisemitische Codewörter als Volksverhetzung einzustufen. Der Bericht enthalte „absolut katastrophale Zahlen“.

Im vergangenen Jahr erfasste der Verband nach eigenen Angaben 4.782 Vorfälle. Das sei eine Zunahme von rund 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 sei es zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl gekommen.

Neben sieben Fällen extremer Gewalt wurden im vergangenen Jahr demnach 121 Angriffe und 183 Bedrohungen registriert. Rund zwei Drittel der registrierten Fälle von extremer Gewalt, Angriffen und Bedrohungen hätten nach dem 7. Oktober stattgefunden.

Allein zwischen dem 7. Oktober und dem Jahresende wurden den Rias-Meldestellen 2.787 antisemitische Vorfälle bekannt. Das seien mehr Vorfälle als im gesamten Vorjahr (2022: 2.480). Auffällig hoch sei die Zahl der 471 Vorfälle in Bildungs- und Kultureinrichtungen (2022: 184). Ein Fünftel der Vorfälle ereignete sich im Internet.

Meist seien die gemeldeten Vorkommnisse auf antiisraelischen Aktivismus zurückzuführen gewesen, hieß es. Dieser habe besonders bei antiisraelischen Versammlungen eine Rolle gespielt. Die Ablehnung des jüdischen Staates habe unterschiedliche politische Strömungen mobilisiert.

Klein zufolge zeigt der Bericht, wie massiv der Angriff der Hamas als „Brandbeschleuniger“ gewirkt hat. Repression könne nur ein Teil der Antwort auf wachsenden Antisemitismus sein. Dessen Bekämpfung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Lehrpersonal an Schulen müsse besser ausgebildet, die Staatsgründung Israels gelehrt und ein Schulfach zum Umgang mit Medien eingeführt werden.

Der geschäftsführende Vorstand des Rias-Bundesverbands, Benjamin Steinitz, beklagte, ein offenes jüdisches Leben sei seit dem 7. Oktober noch weniger möglich als vorher. Der präzedenzlose Anstieg antisemitischer Vorfälle müsse als „Weckruf“ verstanden werden.

Die Co-Autorin des Berichts, Bianca Loy, sagte, vielfach seien bekannte antisemitische Stereotype aktualisiert und auf die Massaker der Hamas und den Krieg in Gaza übertragen worden. Dabei sei „Gewalt gegen Jüdinnen und Juden gerechtfertigt, relativiert und geleugnet“ worden.

Der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, sagte, Anfeindungen, Übergriffe und das Gefühl ständiger Bedrohung seien für viele Juden Realität. Sorge bereite vielen auch die Frage, ob in Zukunft in Deutschland ein freies und sicheres Leben für sie möglich sein wird.

Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP sowie der Gruppe der Linken verurteilten anlässlich der Veröffentlichung des Berichts gemeinsam Anfeindungen gegen Jüdinnen und Juden. Der Kampf gegen Antisemitismus sei eine Verpflichtung für alle demokratischen Bundestagsfraktionen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.