Berlin (epd). Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich für eine parlamentarische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen ausgesprochen. Er sagte dem Sender Welt TV am Montag, die FDP habe viele der Maßnahmen sehr kritisch gesehen, die die große Koalition aus Union und SPD damals beschlossen hatten. So seien etwa die Ausgangsverbote zu weit gegangen. „Das waren Eingriffe in die Grundrechte, die nicht gerechtfertigt waren“, sagte Lindner.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag im Sommerinterview der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ hingegen dafür plädiert, einen Bürgerrat zur Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen einzurichten. Aus heutiger Sicht seien Fehler gemacht worden, erklärte er. Scholz schloss sich damit einem Vorschlag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich an, der einen Bürgerrat vorgeschlagen hatte. Dessen Empfehlungen sollten von Politik und Verwaltung aufgegriffen werden.
In der seit Monaten geführten Debatte um eine Corona-Aufarbeitung hat sich die FDP für eine Enquete-Kommission des Bundestags ausgesprochen, ebenso der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU). Bei SPD und Grünen herrscht noch keine Klarheit, in welcher Form eine Aufarbeitung erfolgen soll. Gregor Gysi von der Linken und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sprechen sich ebenfalls für eine Enquete-Kommission aus. Die AfD-Fraktion hat einen Antrag für eine „Enquete-Kommission Coronavirus“ eingebracht, der im April erstmals vom Bundestag beraten wurde. Die AfD will auch die Rolle der Wissenschaft überprüfen lassen.
Enquete-Kommissionen des Bundestags setzen sich zusammen aus Abgeordneten und Sachverständigen und können Empfehlungen aussprechen. Ein Bürgerrat besteht aus zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, deren Zusammensetzung aber der Zusammensetzung der Bevölkerung entspricht. Ein Bürgerrat zur Ernährung war der bisher einzige in dieser Wahlperiode.