Berlin, São Paulo (epd). In Brasilien sind erneut Tausende Menschen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts auf die Straße gegangen. Allein in der Metropole São Paulo versammelten sich am Samstag (Ortszeit) etwa zehntausend Demonstranten, um gegen den von Ultrakonservativen eingereichten Gesetzentwurf zu protestieren, der Abtreibungen in bestimmten Fällen mit Mord gleichsetzt, wie die Tageszeitung „Folha de São Paulo“ berichtet.
Der Entwurf sieht bei einem Abbruch einer Schwangerschaft nach der 22. Woche Haftstrafen von 6 bis 20 Jahren vor - auch im Fall einer Vergewaltigung. Damit würden Vergewaltigungsopfer eine höhere Strafe als ihre Vergewaltiger bekommen.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva nannte den Gesetzentwurf Irrsinn. Es sei verrückt, ein Opfer höher zu bestrafen als den Vergewaltiger, sagt Lula am Rande des G7-Gipfels in Italien. Brasiliens linksgerichteter Präsident betonte, er persönlich sei gegen Abtreibungen. Sie seien aber eine Realität und müssten deshalb als Frage der öffentlichen Gesundheit behandelt werden. Lula und die Regierungsparteien haben im Abgeordnetenhaus keine Mehrheit.
Nach offiziellen Statistiken ist die Mehrheit (rund 64 Prozent) der Vergewaltigungsopfer in Brasilien jünger als 14 Jahre. Frauenrechtsorganisationen verweisen darauf, dass die Mädchen ihre Schwangerschaft meist viel zu spät bemerkten, oft erst bei der Geburt.
In Brasilien sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verboten. Ausnahmen gibt es, wenn die Mutter vergewaltigt wurde, wenn der Fötus eine schwere Fehlbildung hat oder das Leben der Mutter in Gefahr ist. Pro Jahr werden in Brasilien rund 2.000 legale Abtreibungen vorgenommen, denen vorher ein Gericht zustimmen muss. Geschätzt mehr als eine Million Mädchen und Frauen lassen illegal ihre Schwangerschaft unter oft mangelhaften hygienischen Bedingungen beenden.