Anstieg häuslicher Gewalt: Faeser und Paus wollen besseren Schutz

Anstieg häuslicher Gewalt: Faeser und Paus wollen besseren Schutz
Mehr als eine Viertelmillion Menschen wurde im vergangenen Jahr Opfer häuslicher Gewalt. In der überwiegenden Mehrzahl sind es Frauen. Innenministerin Faeser und Familienministerin Paus wollen mehr gesetzlichen Schutz für Betroffene.

Berlin (epd). Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt ist im vergangenen Jahr erneut deutlich gestiegen. Wie aus dem am Freitag in Berlin vorgestellten Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zur häuslichen Gewalt hervorgeht, gab es 2023 mehr als 256.000 Opfer. Das waren 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Opfer von Gewaltdelikten sind vor allem Frauen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kündigten Gesetze für einen besseren Schutz an. Wann es aber einen Rechtsanspruch auf Hilfen und damit verbunden mehr der aktuell knappen Frauenhausplätze geben wird, blieb aber offen.

Das Lagebild zur häuslichen Gewalt analysiert, wie oft ausgewählte Straftaten wie Tötungsdelikte, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Zuhälterei und Stalking in der Partnerschaft oder Familie begangen werden. Insgesamt gab es in diesen Bereichen im vergangenen Jahr 1,05 Millionen Opfer. Damit ist jedes vierte dieser Opfer in der Partnerschaft oder Familie angegangen, verletzt, bedroht oder drangsaliert worden. 155 Frauen sind 2023 durch den Partner oder Ex-Partner getötet worden, 24 Männer durch die aktuelle oder ehemalige Partnerin.

Überwiegend sind Frauen Opfer häuslicher Gewalt, nämlich 70,5 Prozent. Bei Gewalt in der Partnerschaft sind sogar vier von fünf Opfern Frauen. Die Vize-Präsidentin des Bundeskriminalamts, Martina Link, macht zwei Gründe für den Anstieg der Zahlen aus. Die gesellschaftliche Entwicklung habe insgesamt zu einem Anstieg der Gewaltkriminalität geführt, was sich auch in dieser Statistik niederschlage. Zudem geht sie davon aus, dass die bessere gesellschaftliche Wahrnehmung des Themas die Anzeigebereitschaft hat steigen lassen.

Link geht dennoch von einem weiter großen Dunkelfeld häuslicher Gewalt aus. Das BKA erarbeitet ihren Angaben zufolge deswegen ein Lagebild zu speziell gegen Frauen gerichtete Gewalt. Ergebnisse soll es im nächsten Jahr geben. Auch das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ meldete am Freitag einen Anstieg der Anrufe. Rund 59.000 Beratungsanfragen habe es 2023 gegeben, zwölf Prozent mehr als im Jahr davor, sagte Leiterin Petra Söchting. In 60 Prozent der Fälle gehe es um Partnerschaftsgewalt.

Um Frauen besser zu schützen, plädierte Innenministerin Faeser für verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für mutmaßliche Täter. In Österreich gelte, dass, wer das Verbot bekommt, sich einer bestimmten Frau zu nähern oder die Wohnung zu betreten, solch ein Training absolvieren müsse, sagte sie. Sie plädierte dafür, die Kontaktverbote auch in den deutschen Regelungen entsprechend zu ergänzen und äußerte sich zuversichtlich, dass eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes noch in dieser Wahlperiode gelingen könne. Sie sei dazu bereits mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Gespräch.

Paus arbeitet derweil nach eigenen Worten an einem Gewalthilfegesetz, das Frauen verlässlich Zugang zu Beratung und Hilfen verschaffen soll. Sie sprach sich für einen Rechtsanspruch darauf aus. Zudem soll der Bund sich dauerhaft an den Kosten etwa für Frauenhäuser beteiligen. Über ein entsprechendes Gesetz gibt es Gespräche mit den Ländern, die die Einrichtungen betreiben.

Bundesweit gibt es Paus zufolge rund 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und mehr als 600 Beratungsstellen. Das Angebot reiche aber nicht aus. Die Einrichtungen selbst schätzen demnach, dass 10.000 zusätzliche Plätze benötigt werden. Zu einem konkreten Zeitplan des Ausbaus und der konkreten finanziellen Unterstützung des Bundes nannte Paus mit Verweis auf die laufenden Gespräche mit den Ländern und die Haushaltsverhandlungen auf Bundesebene keine Details.

Verbände dringen auf schnelles Handeln. „Die jüngsten Zahlen zeigen eindringlich, dass Bund, Länder und Kommunen es sich schlicht nicht erlauben können, weiter untätig zu bleiben“, erklärte die Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Kathrin Sonnenholzner.