Tübingen (epd). Einer der großen evangelischen Theologen der Gegenwart ist tot: Jürgen Moltmann starb am Montag im Alter von 98 Jahren in Tübingen, wie seine Familie dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag mitteilte. Seine 1964 erschienene „Theologie der Hoffnung“ gilt als Aufbruch in der theologischen Wissenschaft und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er hat seitdem Christen weltweit beeinflusst. Zentrales Thema seines Denkens war schon früh die globale ökologische Krise.
Kirche und Wissenschaft würdigten ihn als einen der prägendsten religiösen Autoren seiner Zeit. Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, nannte Moltmann ein „einmaliges Geschenk“ für die evangelische Kirche. Sein Tod berühre sie auch ganz persönlich. Der systematische Theologe habe philosophische Traditionen meisterhaft mit Gegenwartsthemen verbunden. Die Kirche verdanke Moltmann unendlich viel: „Ökumenische Herzensweite, eine gehörige Portion wissenschaftliche Radikalität, politische Courage und grenzenlose Hoffnung.“
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bezeichnete Moltmann als „einen der prägendsten und prägnantesten Theologen unserer Zeit“. Er habe nicht nur über die Hoffnung gesprochen, „er war eine Hoffnung für die Theologie, die sein Leben geprägt hat“. Sein Denken habe auch die katholische Theologie inspiriert. „Von Jürgen Moltmann konnte man lernen, was ein Leben für die Ökumene bedeutet. Wir verneigen uns vor einem, der der Theologie einen Sitz im Leben verschafft hat“, so der Limburger Bischof Bätzing.
Die Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen, Birgit Weyel, betonte Moltmanns „enorme internationale Ausstrahlungskraft“. Auch nach seiner Emeritierung habe er wissenschaftliche Kontakte auf der ganzen Welt gepflegt, unter anderem nach Südkorea. Seine Theologie der Hoffnung stelle einen „eigenständigen befreiungstheologisch grundierten Ansatz dar“, sagte die Professorin für Praktische Theologie. Seinem Schaffen wohne eine „in Bewegung setzende Kraft“ inne.
Die badische evangelische Landesbischöfin Heike Springhart äußerte sich dankbar für Moltmanns Lebenswerk. Sie nannte ihn einen „leuchtenden und hoffnungssturen Zeugen des Reiches Gottes“. Moltmanns Theologie der Hoffnung, sein klarer und engagierter Blick für die Gesellschaft und seine verschmitzte Klugheit würden fehlen, schrieb Springhart am Dienstag auf ihrem Instagram-Account.
Seine theologischen Studien hatte Moltmann in englischer Kriegsgefangenschaft begonnen. Bis zuletzt meldete er sich zu aktuellen politischen Themen zu Wort. So regte er Ende 2021 ein jährliches Gedenken für Corona-Tote an. Zwischen 1980 und 1995 legt er die Kernthemen christlicher Theologie in fünf Bänden neu aus: die Lehre von Gott, der Schöpfung, von Jesus Christus, vom Heiligen Geist sowie der Lehre von den letzten Dingen im Leben jedes Menschen. Er war mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel verheiratet, die 2016 starb.
Moltmann wurde als Sohn einer kirchenfernen Lehrerfamilie am 8. April 1926 in Hamburg geboren und war zunächst Pfarrer in Bremen und danach Professor für Dogmengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, ehe er 1963 nach Bonn berufen wurde. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte er in Tübingen. Moltmann steht in einer Reihe mit großen theologischen Denkern wie Wolfhart Pannenberg (1928-2014), Johann Baptist Metz (1928-2019), Hans Küng (1928-2021) und Eberhard Jüngel (1934-2021).