Hannover (epd). Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister ist mit einer erneuten Rücktrittsforderung Missbrauchsbetroffener konfrontiert. Er müsse aus einem unzureichenden Umgang der Landeskirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten offenen Brief: „Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister.“ Bereits im März hatte eine Missbrauchsbetroffene den Rücktritt des 62-Jährigen gefordert.
Meister werden insbesondere Versäumnisse der landeskirchlichen Fachstelle für sexualisierte Gewalt vorgeworfen. Auch nach einer Neuaufstellung 2021 würden Betroffene „weiterhin sehr negative Erfahrungen“ mit der Fachstelle machen, heißt es in dem Brief vom Mittwoch. Mails würden nicht oder nur schleppend beantwortet, Anliegen nicht bearbeitet, Prozesse verzögert, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergeleitet, und „Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind“.
Der Brief wurde unmittelbar vor viertägigen Beratungen der hannoverschen Landessynode veröffentlicht, die am Mittwochnachmittag im Kloster Loccum bei Nienburg beginnen sollten. Er wurde für die Initiative „Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers: Meisterhafte Vertuschung beenden!“ von den Betroffenenvertretern Dörte Münch, Horst E., Kerstin Krebs und Katharina Kracht unterzeichnet. Sie nehmen Bezug auf eine Rücktrittsforderung der unter Pseudonym auftretenden Missbrauchsbetroffenen Lisa Meyer Mitte März. Meyer hatte maßgeblich die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück vorangetrieben. Sie war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon der Kirchengemeinde Oesede mehrfach schwer missbraucht worden.
In dem Brief vom Mittwoch heißt es: „Als Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend unterstützen wir die Forderung von Lisa Meyer.“ Landesbischof Meister habe die Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt. So ein Versagen gefährde Betroffene, die in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt in der Kirche erlebt haben. Es gefährde auch Kinder und Jugendliche, die heute kirchliche Angebote wahrnehmen, „weil Strukturen von Gewalt nicht erkannt und nicht aufgeklärt werden“.