Land Niedersachsen schiebt russische Familie aus Kirchenasyl ab

Land Niedersachsen schiebt russische Familie aus Kirchenasyl ab
Jahrelang haben die niedersächsischen Behörden Kirchenasyle geachtet. Seit einigen Monaten gibt es jedoch wieder Meldungen über Festnahmen und Abschiebungen aus dem Kirchenasyl. Jetzt traf es eine russische Familie, die Zuflucht bei Uelzen suchte.

Uelzen (epd). Polizei und Landesaufnahmebehörde Niedersachsen haben ein Kirchenasyl für eine russische Familie aufgelöst. Bereits am Sonntagabend sei die vierköpfige Familie nach Spanien abgeschoben worden, wie die evangelische St. Michaelisgemeinde in Bienenbüttel bei Uelzen am Dienstag mitteilte. „Wir sind geschockt vom Vorgehen der Landesaufnahmebehörde“, sagte Pastor Tobias Heyden dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Polizeibeamten hätten sich per Durchsuchungsbeschluss Zutritt zur Gemeindehauswohnung verschafft, in der die Familie untergebracht gewesen sei. Sie sei noch in der Nacht nach Barcelona geflogen worden, hieß es. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen warf der rot-grünen Landesregierung vor, sie habe damit ein jahrzehntelanges Tabu gebrochen.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten habe das Land Niedersachsen ein Kirchenasyl durch den Einsatz der Polizei beendet und die Schutzsuchenden abgeschoben, hieß es. Nach Angaben des Flüchtlingsrates war zuletzt 1998 in Niedersachsen ein Kirchenasyl geräumt und die betroffenen Personen abgeschoben worden. Danach hätten alle Innenminister des Landes betont, dass auf Zwangsmaßnahmen gegen Personen im Kirchenasyl verzichtet werde.

Im April sei dennoch ein Kirchenasyl von den Behörden aufgelöst worden. Die Abschiebung sei aber gescheitert. Der Geschäftsführer des Flüchtlingsrats, Kai Weber, sagte dem epd, nach der jetzigen Aktion gehe er davon aus, dass nun bewusst eine neue, restriktive Richtung eingeschlagen werde.

Das russische Ehepaar mit einem erwachsenen Sohn und einer 16-jährigen Tochter hielt sich den Angaben zufolge auf der Durchreise nach Spanien in Deutschland bei Verwandten auf, als Vater und Sohn einen Einberufungsbefehl erhielten, wie die Gemeinde mitteilte. Die Familie habe sich nicht an dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligen wollen und deshalb in Deutschland Asyl beantragt. Die Mutter sei aufgrund der psychischen Belastung schwer erkrankt und stationär behandelt worden. Dennoch sei der Asylantrag mit Verweis auf das Dublin-Abkommen abgelehnt worden. Die Familie habe bereits ein spanisches Visum gehabt.

Daraufhin habe sich die Familie an den evangelischen Kirchenkreis gewandt, sagte der Pastor. Dieser habe nach sorgfältiger Prüfung das Kirchenasyl für sinnvoll erachtet. Die Ärzte der Mutter hätten von einer Abschiebung dringend abgeraten. Die Prognose zur Integration der Familie sei zudem gut gewesen. Vater und Sohn hätten Arbeitsangebote vorweisen können. Die Tochter habe ein Gymnasium in Uelzen besucht.

Auch in anderen Bundesländern habe es in den zurückliegenden Monaten zum Teil spektakuläre Kirchenasylräumungen gegeben, sagte Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Weber. Es solle offenbar vor allem Härte signalisiert werden. Das spiegele den Rechtsruck in der innenpolitischen Diskussion wider. „Statt den Rechtsextremen Paroli zu bieten, läuft die Politik ihren Parolen hinterher.“

Im Februar hatte die Polizei das Kirchenasyl eines syrischen Flüchtlings in einer evangelischen Kirchengemeinde in Rheinland-Pfalz beendet und den Mann nach Dänemark abgeschoben. Die Polizei in Schwerin hatte kurz vor Weihnachten ein Kirchenasyl in einer evangelischen Gemeinde gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben, die Abschiebung scheiterte. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hat derzeit Kenntnis von 594 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 780 Personen, darunter etwa 130 Kinder.