Wiesbaden, Mainz (epd). Die Entscheidung der Ukraine, Männern im wehrpflichtigen Alter in den Konsulaten im Ausland keine Reisepässe mehr auszustellen, könnte Zehntausende Kriegsflüchtlinge in eine prekäre Lage bringen. Wie das hessische Innenministerium auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte, gibt es noch keine endgültige Entscheidung darüber, ob ukrainischen Staatsangehörigen die Beschaffung eines Passes auch unter den neuen Bedingungen „weiterhin zuzumuten ist“. Dazu solle eine gemeinsame Position von Bund und Ländern erarbeitet werden. Wenn die Bundesrepublik auf Erfüllung der Passpflicht besteht, müssten ukrainische Männer mit abgelaufenen Dokumenten in ihre Heimat zurückkehren, wo wiederum aufgrund des Kriegsrechts ein Ausreiseverbot für sie gilt.
Allein in Hessen und Rheinland-Pfalz wären nach Angaben der beiden Landesregierungen potenziell über 20.000 Männer aus der Ukraine von dem jüngst verschärften Mobilisierungsgesetz betroffen. Unmittelbare Auswirkungen auf ihr Aufenthaltsrecht haben die Maßnahmen jedoch nicht, da allen nach dem russischen Angriff aus dem Land geflohenen Menschen zunächst bis März 2025 von der EU ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen gewährt wurde.
„Für sämtliche weiteren Rechtsakte im Aufenthaltsrecht oder in anderen Lebensbereichen hat die Nichterfüllung der Passpflicht aber prinzipiell negative Auswirkungen, die angesichts der erst seit wenigen Tagen bekannten Passregelung der Ukraine und der besonderen Situation dieser Kriegsflüchtlinge noch nicht näher spezifiziert werden können“, heißt es in der Stellungnahme des hessischen Innenministeriums.
Um Ukrainern, die nicht einberufen werden wollen, weiter einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen, könnte die Bundesrepublik dieser Personengruppe Passersatzpapiere ausstellen. Rudi Friedrich von der Friedensorganisation Connection mit Sitz in Offenbach, die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus aller Welt unterstützt, zweifelt jedoch daran, dass die deutschen Behörden dazu bereit sind.
Auch bei Bürgern anderer Staaten werde die Ausgabe sehr restriktiv gehandhabt, sagte er dem epd. So sei beispielsweise von Staatsbürgern Eritreas, wo eine faktisch unbefristete Wehrpflicht für Männer und Frauen gilt, lange die Beschaffung regulärer Reisepässe eingefordert worden. Die Botschaft Eritreas habe Dokumente nur ausgestellt, wenn die Antragsteller eine offizielle Reueerklärung abgaben, in der sie einer Bestrafung zustimmten.
Als legaler Ausweg für wehrpflichtige Ukrainer ohne gültige Papiere bleibt nach Auskunft des Hilfsvereins Connection künftig schlimmstenfalls nur noch ein Asylantrag. „Die Ukraine erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an“, sagte Rudi Friedrich. „Das ist ganz klar ein Menschenrechtsverstoß.“ Ein Erfolg solcher Asylgesuche in der jetzigen Situation bleibe allerdings ungewiss.