Hannover, Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Deutschland haben den jüngst vorgestellten Entwurf für ein Anti-Missbrauch-Gesetz begrüßt. Man unterstütze mit Nachdruck, dass die staatlichen Strukturen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und zu deren Aufarbeitung deutlich gestärkt werden sollen, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme von EKD und Diakonie. Zugleich stellen sie aber auch Lücken in dem Entwurf fest. Die bei der Missbrauchsbeauftragten angesiedelte Unabhängige Aufarbeitungskommission begrüßt den Entwurf ebenfalls, dringt aber auf die Erweiterung der Rechte für Betroffene und der Handlungsmöglichkeiten der Kommission.
Die Bevollmächtigte der EKD in Berlin, Anne Gidion, und Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch, plädieren in der Stellungnahme für eine Aufnahme von Regelungen zu finanziellen Anerkennungsleistungen in das Gesetz. „Hier wäre es aus unserer Sicht hochbedeutsam, gesamtgesellschaftliche Standards für Anerkennungsleistungen in allen Kontexten zu definieren, in denen sexualisierte Gewalt stattfindet“, heißt es in dem Papier.
EKD, Diakonie und Betroffenenvertreter diskutieren schon seit Längerem im sogenannten Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt über eine Neuregelung der Anerkennungsleistungen, die zu einer Vereinheitlichung innerhalb der 20 Landeskirchen und der Diakonie-Landesverbände führen soll.
Das Bundesfamilienministerium hatte Mitte April einen Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ veröffentlicht. Kern des Gesetzes ist die Aufwertung und gesetzliche Verankerung des Amtes der Missbrauchsbeauftragten sowie die dauerhafte Einrichtung des Betroffenenrats und der Aufarbeitungskommission bei der oder dem Missbrauchsbeauftragten. Der Entwurf soll voraussichtlich Ende Mai im Bundeskabinett beraten werden.
Die Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Julia Gebrande, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), wenn man ein Recht auf individuelle Aufarbeitung verankern wolle, müssten Betroffene „Zugang zu all den Akten bekommen, die über ihre Person angelegt wurden“. Außerdem müssten „sie unterstützt werden, um die Informationen dann gut einordnen zu können“. Der Gesetzentwurf sieht ein Akteneinsichtsrecht bei Jugendämtern vor und auch fachliche Unterstützung für die Betroffenen. Unklar ist, ob die Finanzierung ausreicht.
Die Aufarbeitungskommission fordert in ihrer Stellungnahme, dass das individuelle Recht auf Aufarbeitung ausdrücklich im Gesetz verankert werden soll. Im Entwurf ist das nicht der Fall. Die Kommission begrüßt, dass ihr Aufgabenbereich ausgeweitet werden soll, kritisiert aber, dass dies mit der bisherigen Ausstattung nicht möglich sei.
Als wichtige Verbesserung würdigt die Aufarbeitungskommission die Berichtspflicht an Bundestag, Bundesrat und Regierung, der die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus künftig nachkommen muss. Die Ampel-Koalition hatte sich darauf verständigt, um das Amt aufzuwerten und die Politik regelmäßig mit dem Thema zu befassen. Eine solche Berichtspflicht brauche es auch für die Kommission, sagte Gebrande dem epd, „weil den Berichten der Betroffenen damit mehr Gewicht verliehen wird“.