Stuttgart (epd). Gegen 10 Uhr wurden die neun Angeklagten einzeln in Saal 1 des Oberlandesgerichts Stuttgart geführt. Einer verdeckte dabei sein Gesicht, ein anderer grüßte lächelnd Zuschauer im Publikum. Nach Feststellung der Personalien durch den Vorsitzenden Richter Joachim Holzhausen begann die Bundesanwaltschaft, die Anklageschrift zu verlesen. Den neun Angeklagten wird vorgeworfen, einen politischen Umsturz mit Gewalt geplant zu haben. Sie sollen dem „militärischen Arm“ der mutmaßlichen Verschwörergruppe rund um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß angehört haben.
Die Angeklagten nahmen die Verlesung der Vorwürfe gegen sie überwiegend ungerührt zur Kenntnis. Dabei hat es die Anklage in sich: Den Männern wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein sowie ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben. Einigen wird zudem illegaler Waffenbesitz zur Last gelegt; einem werden außerdem versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er habe bei einer Wohnungsdurchsuchung in Reutlingen auf Polizisten geschossen. Bei einer großen Razzia gegen mutmaßliche Reichsbürger im Dezember 2022 waren rund 150 Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der Reuß-Gruppe durchsucht worden.
Die Angehörigen der Vereinigung hat laut Anklage eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung verbunden. Den Mitgliedern sei bewusst gewesen, dass die geplante gewaltsame Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden gewesen wäre, so die Bundesanwaltschaft, die zuvor 400.000 Seiten Ermittlungsakten gesichtet und zu einer 600 Seiten zählenden Anklageschrift gebündelt hatte.
In Stuttgart ist der als „militärischer Arm“ bezeichnete Teil der Vereinigung angeklagt. Er hätte die Machtübernahme mittels Waffengewalt durchführen sollen, heißt es in der Anklage. So sollen sich die Angeklagten am Aufbau sogenannter „Heimatschutzkompanien“ beteiligt haben. In ganz Deutschland sollen einzelne Mitglieder geplant haben, eigene militärisch organisierte Gruppen aufzubauen. Besonders fortgeschritten soll eine der Gruppen im Raum Tübingen gewesen sein. Insgesamt stellten die Ermittler laut Anklageschrift bis heute mehr als 380 Schusswaffen sowie knapp 350 Hieb- und Stichwaffen sicher, fanden Nachtsichtgeräte, Handfesseln und Satellitentelefone.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat vorerst bis Januar 2025 Verhandlungstermine angesetzt. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen langjährige Haftstrafen.
Der Generalbundesanwalt hat gegen 17 weitere mutmaßliche Mitglieder Anklage bei den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main und München erhoben. In Frankfurt soll der Prozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Gruppe am 21. Mai beginnen; in München soll die Hauptverhandlung gegen acht weitere Angeklagte am 18. Juni beginnen.