Berlin (epd). Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat die Bundesregierung aufgefordert, das Gesetz gegen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zügig „und ohne weitere Abstriche“ zu beschließen. Für die Betroffenen sei es „eminent wichtig, dass sich dann auch der Bundestag mit großer, überfraktioneller Mehrheit hinter dieses Gesetz stellt“, sagte Claus dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Der Entwurf, der sich in der regierungsinternen Abstimmung um Monate verzögert hatte, setze „die richtigen Impulse“, erklärte die Missbrauchsbeauftragte.
Kern des Gesetzes ist die Aufwertung und gesetzliche Verankerung des Amtes der Missbrauchsbeauftragten. Der Entwurf stärkt die Rechte von Betroffenen, die sich mit dem ihnen angetanen Unrecht auseinandersetzen wollen. Sie erhalten ein Recht auf Akteneinsicht bei den Jugendämtern. Künftig soll der oder die Missbrauchsbeauftragte dem Bundestag, dem Bundesrat und der Regierung einmal pro Legislaturperiode einen Bericht vorlegen über das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder, die Hilfen für Betroffene, Vorbeugung und Aufarbeitung. Claus hat dazu bereits eine Dunkelfeldstudie angekündigt.
Es gehe auch um ein Signal politischer Verantwortungsübernahme, sagte Claus: „Erst wenn wir politisch wie gesellschaftlich verstehen, wie wir sexuelle Gewalt verhindern können und warum Aufarbeitung hier ein so wichtiger Baustein ist, werden wir Kinder und Jugendliche umfassend schützen.“
Nach Angaben des Familienministeriums soll der Gesetzentwurf Ende Mai im Bundeskabinett beschlossen werden. Danach geht er in den Bundestag. Mit dem Entwurf setzt das Ministerium ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP um.
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik gehen die sexualisierten Gewalttaten gegen Kinder nicht zurück. 2023 wurden 16.375 Fälle registriert. Insgesamt verzeichnet die Statistik 18.497 Opfer - 2.206 betroffene Kinder waren jünger als sechs Jahre. Fast zwei Drittel der Kinder kennen den Täter. Das Dunkelfeld - die Zahl der nicht polizeilich bekannten Fälle - ist weitaus größer.
Die Missbrauchsbeauftragte Claus und ihr Vorgänger Johannes-Wilhelm Rörig hatten sich jahrelang für eine gesetzliche Stärkung der Missbrauchsbekämpfung und der Rechte von Betroffenen eingesetzt. Das Gesetz soll 2025 in Kraft treten.