Berlin (epd). Für eine mögliche Reform des Abtreibungsrechts hält der Sozialethiker Peter Dabrock Gesprächsangebote der Ampel-Koalition an die Opposition für unabdingbar. „Eine Reform kann nur dann gelingen und gesellschaftlich befriedend wirken, wenn man in der noch anstehenden politischen Debatte mehr Positionen einbezieht als die des progressiven Klientels der Gesellschaft, ideologische Gräben auf allen Seiten verlässt und sich aufeinander zubewegt“, sagte der evangelische Theologe und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei keine Frage der Zeit, „sondern der Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten, ob man eine Gesetzesregelung zügig angeht“.
Die von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die Möglichkeiten für eine Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen sollte, hatte am Montag ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Sie empfiehlt eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Zumindest Schwangerschaftsabbrüche in der frühen Phase sollen nach ihrer Auffassung erlaubt und nicht mehr im Strafrecht reguliert, Spätabtreibungen aber weiter verboten werden.
Dabrock sagte, er könne „den Geist des Berichtes teilen“. Auch ein 30 Jahre alter Kompromiss müsse sich der Gegenwart stellen. Eine Überprüfung etwa der Frage, ob es angemessen ist, Frauen in einem Schwangerschaftskonflikt mit dem Vorwurf der Kriminalisierung zu konfrontieren, sei an der Zeit.
Kritik übt der Erlanger Theologieprofessor aber an der Verfahrensweise. Es erweise sich auch im Nachhinein als Fehler, „dass die Bundesregierung mit der Auswahl der Kommissionsmitglieder zu eng innerhalb ihrer eigenen weltanschaulichen Grenzen verblieben ist“. Von Anfang an sei klar gewesen, dass das Thema konfliktbehaftet ist. „Um einen größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen, ist es notwendig, auch andere Akteure einzubinden“, sagte Dabrock. Das gelte etwa für konservativere Stimmen. „So hätte man glaubwürdig demonstriert, auf eine neue gemeinsame gesellschaftliche Grundlage zu zielen und keine Spaltungen herbeiführen zu wollen.“
Der Ethikexperte sieht dennoch die Chance für einen Kompromiss. „Denn viele Konservative teilen die Auffassung, dass man eine Schwangerschaft nicht gegen den Willen der Schwangeren aufrechterhalten kann“, sagte er. Viele Progressive sähen, dass Lebensschutz ein hohes Rechtsgut ist, das man effektiv umsetzen müsse. „Wenn diese Schnittmenge da ist, wenn man Fälle sieht, in denen aus guten Gründen Schwangerschaftsabbruch ins Strafrecht gehört und es gelingt, die Spannung zwischen Ethik, Sozialpolitik, Verfassungs- und Strafrecht konstruktiv zu balancieren, habe ich die Hoffnung auf baldige Einigung nicht aufgegeben“, sagte er.