Engagiert, aber nüchtern

Engagiert, aber nüchtern
Kirchen veröffentlichen neues Papier zu ökumenischen Beziehungen
Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe, Ehe für alle - in ethisch-moralisch umstrittenen Themen vertreten die evangelische und katholische Kirche oft verschiedene Ansichten. Die ökumenische Zusammenarbeit soll dies aber nicht trüben.
14.03.2024
epd
Von Franziska Hein (epd)

Hannover (epd). Dass evangelische und katholische Christen nicht offiziell gemeinsam Abendmahl feiern können, ist für viele Gläubige bis heute sichtbares Zeichen der bestehenden Kirchentrennung. Und das neue Ökumene-Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, das am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde, macht Gläubigen in dieser Hinsicht auch wenig Hoffnung: Es sei nüchtern zu bilanzieren, „dass hier in nächster Zeit keine Durchbrüche zu erwarten sind“, heißt es im gemeinsamen Geleitwort der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden, Kirsten Fehrs, und des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Georg Bätzing.

Doch das soll nicht bedeuten, dass man nicht an anderer Stelle in der Ökumene etwas bewegen kann, lautet der Tenor des Textes mit dem Titel „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit“. Denn in Zeiten zunehmender Säkularisierung wollen die evangelische und katholische Kirche in Deutschland noch enger zusammenarbeiten. Die Kirchen erlebten derzeit eine Umbruchphase, sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung. Gerade in so einer Situation dürfe die Ökumene nicht „unter die Räder geraten“, betonte er. Der katholische Ökumene-Bischof, Gerhard Feige (Magdeburg), fügte hinzu, eine engere Zusammenarbeit sei aber kein „Zweckrationalismus“, um gesellschaftliche Bedeutung zurückzuerlangen.

Der Text ist aus dem Kontaktgesprächskreis von Bischofskonferenz und EKD entstanden und nimmt Bezug auf das gemeinsame Dokument, das im Jahr 2017 anlässlich des Gedenk- und Feierjahres zu 500 Jahre Reformation veröffentlicht wurde. Damals griff man auf die Formel „Sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ zurück, um die Beziehungen zwischen der evangelischen und katholischen Kirche zu beschreiben. Die Formel ist aber älter. Sie stammt aus dem Ökumene-Prozess der Kirchen, die aus der Reformation hervorgingen, und mündete 1973 in die Leuenberger Konkordie, in der sich die protestantischen Kirchen Europas die volle Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft zusicherten.

Der nun vorgestellte Text enthalte zwei Paradigmenwechsel, erläuterte die Jenaer evangelische Theologin Miriam Rose. Zum einen begreift er die Ökumene als langen Prozess, der Höhen und Tiefen erlebt. Damit kehre man sich von der Vorstellung ab, die Ökumene sei immer auf das Ziel der endgültigen Kircheneinheit gerichtet. Vieles, was in den Gemeinden ohnehin geschehe, habe schon jetzt eine theologische Bedeutung und sei eben kein Stückwerk, sagte Rose. Dieser Paradigmenwechsel mündet in die in dem Dokument formulierte Aussage: „Wir sagen einander zu, Kirche nicht für uns allein, sondern nur im Dialog miteinander sein zu wollen.“

Der zweite Paradigmenwechsel bezieht sich auf die Haltung zur Ökumene: Hier heißt das neue Schlagwort „engagierte Nüchternheit“. Dies bedeute nicht, dass man resigniere, betonte Rose. Es heiße vielmehr, sich von Rückschlägen nicht mehr so stark irritieren zu lassen - wie sie etwa in Bezug auf das Ökumene-Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ aus dem Jahr 2019 aus dem Vatikan kamen. Was das jüngste gemeinsame Dokument angeht, erwartet der katholische Bischof Feige keine Irritationen. Es werde „sicher mit großem Wohlwollen“ aufgenommen werden, sagte er.

Im Alltag vieler Kirchengemeinden werde eine große Nähe zwischen den Konfessionen gelebt. Doch der Stand der theologischen Verständigung entspreche dieser Nähe nicht immer, heißt es im Text. „Die ökumenisch Bewegten treiben die Ökumene voran“, sagte Feige. Das sei auch gut so, damit die anderen nicht „in satter Genügsamkeit“ zurückblieben.