Berlin (epd). Die Aussagen von Papst Franziskus über Verhandlungen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine lösen weiter Irritationen aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei „in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte Unverständnis: „Ich verstehe es nicht“, sagte Baerbock am Sonntagabend in der Sendung „Caren Miosga“ im Ersten. Andere verteidigten den Papst gegen Kritik und deuteten dessen Worte als Aufruf zu Verhandlungen.
Auf die Frage eines Journalisten des schweizerischen Rundfunks RSI hatte Franziskus das Sprachbild von der „weißen Fahne“ aufgegriffen und der Ukraine den „Mut zur weißen Fahne“ und zu Friedensverhandlungen nahegelegt. Das vatikanische Presseamt erklärte dem Nachrichtenportal „Vatican News“, Franziskus wünsche sich vor allem eine „diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden“. An anderer Stelle des Interviews habe er klargemacht, dass eine Verhandlung „niemals eine Kapitulation“ sei.
Die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnet die Aussagen von Franziskus als „unglücklich“. „Gemeint war hier jedoch nicht eine Kapitulation gegenüber dem Aggressor-Staat Russland, sondern die Bereitschaft zu Verhandlungen“, sagte Matthias Kopp, Pressesprecher der katholischen Bischofskonferenz, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag auf Anfrage. Es sei vielfach belegt, dass der Papst „für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine eintritt.“
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte Franziskus auf, an Russland einen Appell zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine zu richten. Wie der „Tagesspiegel“ (Online, Montag) weiter berichtete, sprach sich das ZdK für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus. In einer Stellungnahme von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp heißt es laut der Zeitung, die langfristige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sei nicht durch Kapitulation zu erreichen. Das ZdK sei überzeugt, dass Papst Franziskus diese nicht intendiere.
Die katholische Friedensbewegung Pax Christi dankte dem Papst, „dass er sich nach langer Zeit des Zögerns positioniert“. Franziskus fordere Verhandlungsbereitschaft in einem Krieg, der durch immer mehr Waffen nicht beendet werden könne, erklärte Pax Christi.
Dagegen bezeichnete der Wiener Theologe Ulrich Körtner die Aussagen von Papst Franziskus als „politisch naiv“. „Putin muss den Krieg verlieren, weil es nicht nur um das Schicksal der Ukraine geht, sondern weil auch das übrige Europa bedroht ist. Offenbar sieht der Papst nicht den Ernst der Lage“, sagte der Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellte sich hinter Papst Franziskus. „Seinen Aufruf 'Mut zu Verhandlungen' teile ich“, sagte Kretschmer dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Montag). Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der von ihr ins Leben gerufenen Partei BSW, nannte die Kritik an Franziskus „respektlos“. „Wir brauchen endlich einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen statt immer neuer Waffenlieferungen“, sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).