Hannover, Berlin (epd). Flüchtlingsräte, Experten und Hilfsorganisationen kritisieren, dass geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu Tausenden über Monate ein Schulplatz verwehrt bleibe. Vor allem in großen Städten und in Ballungsräumen müssten die Minderjährigen zum Teil ein Jahr oder länger warten, bis sie eine Schule besuchen könnten, sagten Sprecher der Flüchtlingsräte am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gründe seien vor allem die lange Verweildauer in vorläufigen Unterbringungseinrichtungen sowie der Lehrkräftemangel. Die Schulen hätten zudem nicht genügend Plätze in Vorbereitungs- und Sprachlernklassen.
Allein in Berlin würden derzeit weit mehr als 2.000 Kinder im schulpflichtigen Alter nicht beschult, kritisierte Sina Stach vom dortigen Flüchtlingsrat. Das betreffe sowohl Kinder, die mit ihren Familien nach Deutschland geflüchtet sind, als auch unbegleitete Minderjährige. „Das ist ein großer Skandal. Doch da diese Misere geflüchtete Kinder betrifft, bleibt der zu erwartende Aufschrei leider aus.“ In Bremen komme es zu „erheblichen Einschränkungen und Verzögerungen“ bei der Beschulung, berichtete Holger Diekmann vom dortigen Flüchtlingsrat.
Auch der Erziehungswissenschaftler Aladin El-Mafaalani berichtete, er kooperiere mit Kommunen, zumeist Großstädten, in denen zahlreiche Kindern und Jugendliche nicht beschult würden. Diese Zahlen würden jedoch nicht veröffentlicht. Durch die Verzögerungen sei eine erfolgreiche schulische Laufbahn der Kinder „hochgradig gefährdet“. Viele hätten durch Flucht und unsichere Verhältnisse im Herkunftsland schon lange keine Schule mehr besucht und einen großen Förderbedarf.
Dabei bestehe eigentlich für alle Minderjährigen vom ersten Tag an ein Recht auf Bildung und eine Schulpflicht, betonte Helen Sundermeyer vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Jedoch hätten viele Bundesländer entschieden, dass eine Schulanmeldung der ohne Eltern nach Deutschland geflüchteten Jugendlichen in der vorläufigen Inobhutnahme und während des Clearing-Verfahrens wenig Sinn ergebe.
Allerdings müssten die überwiegend männlichen Flüchtlinge anders als vorgesehen dort inzwischen oft monatelang ausharren, bis Plätze in dauerhaften Wohngruppen frei würden. Dadurch verzögere sich auch der Schulstart, sagte Sundermeyer. Vormünder und Betreuer, die sich um eine Schulanmeldung kümmern könnten, gebe es zu wenig. „Das System ist völlig überlastet.“