Düsseldorf (epd). Die Kluft zwischen Müttern und Vätern bei der Kinderbetreuung ist einer Umfrage zufolge nach der Corona-Pandemie wieder größer geworden. So geben mehr als zwei Drittel der Mütter (68 Prozent) in heterosexuellen Paarbeziehungen an, den Großteil dieser Sorgearbeit zu leisten, wie eine am Montag veröffentlichte Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Von den befragten Männern gaben lediglich vier Prozent an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen. Das sei deutlich weniger als zu Beginn der Corona-Pandemie.
Für die Analyse wurden den Angaben zufolge Antworten von 476 Müttern und 693 Vätern ausgewertet, die im November 2023 erhoben wurden.
Der Beitrag von Vätern, die sich vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie stärker engagiert hätten, habe wieder abgenommen, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Stiftung. Im April 2020 hatten zwölf Prozent sowohl der Mütter als auch der Väter angegeben, dass in ihrem Haushalt der Mann für den Großteil der Kinderbetreuung zuständig ist. WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch erklärte, in Bezug auf die Verteilung der Kinderbetreuung habe die Pandemie kaum dauerhafte Veränderungen gebracht. „Die Hauptlast liegt immer noch bei den Frauen.“
Dabei sind die Einschätzungen von Vätern und Müttern zur Sorgearbeit laut der Analyse in den vergangenen zwei Jahren stark auseinandergedriftet. So seien 54 Prozent der Väter der Auffassung, dass die Mutter sich überwiegend um die Kinder kümmert. Von den Müttern sagten dies hingegen 68 Prozent. Von einer weitestgehend gleichberechtigten Arbeitsteilung berichteten 42 Prozent der Väter, aber nur 30 Prozent der Mütter. Eine mögliche Erklärung für diese ungleiche Einschätzung ist laut Kohlrausch, dass die Sorgearbeit wieder „unsichtbarer“ geworden ist. Denn die Erwerbsarbeit finde wieder stärker außer Haus statt.
84 Prozent der Männer und knapp 89 Prozent der Frauen stimmten laut Umfrageergebnissen zu, dass die beste Arbeitsteilung in einer Familie eine gleichmäßige Verteilung von Erwerbsarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung sei. „Frauen haben tendenziell egalitärere Vorstellung im Hinblick auf Geschlechterrollen als Männer“, sagte Kohlrausch. Hier herrsche Nachholbedarf. „Denn nur, wenn auch die Männer mitziehen, kann eine faire Verteilung der Sorgearbeit erreicht werden.“ Sowohl unter Männern als auch Frauen wünsche sich das eine klare Mehrheit. Die große Diskrepanz zur Realität verdeutliche allerdings, dass die meisten von ihnen ihre Idealvorstellung nicht umsetzen könnten.
Kohlrausch forderte, die politischen und betrieblichen Rahmenbedingungen für Eltern zu verbessern. Kitas und Kindergärten müssten ausgebaut und die Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte dort verbessert werden. Zudem könne eine Elterngeldreform mit einem Ausbau der Partnermonate und einer Anhebung der minimalen und maximalen Lohnersatzleistung gerade Vätern ermöglichen, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die Wissenschaftlerin plädierte dafür, das Ehegattensplitting abzuschaffen, da es steuerliche Anreize für eine unausgewogene Erwerbsarbeitsteilung biete. Auch flexible Arbeitszeit- und Arbeitsplatz-Arrangements seien wichtig, um Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung zu ermöglichen.