Köln, Düsseldorf (epd). Die Düsseldorfer Pharmazie-Historikerin Sylvia Wagner verweist auf lebenslange Folgen für Heimkinder, die in den 1960er Jahren für Medikamenten-Tests missbraucht wurden. Vor allem bei den Psychopharmaka seien Neuroleptika nicht nur an Kindern getestet, sondern zum Teil über Jahre eingesetzt worden, sagte Wagner am Montag im WDR-„Morgenecho“. Diese Präparate stellten die Kinder ruhig. Die Kinder litten dadurch zudem an Konzentrationsstörungen und Müdigkeit, mit den Folgen schlechter Schulleistungen, eines niedrigen Bildungsniveaus und zum Teil eines Lebens in Armut.
Wagner, die zu einem Forschungsteam an der Uni Düsseldorf gehört und derzeit im Auftrag der NRW-Landesregierung den Medikamentenmissbrauch an Heimkindern in der Vergangenheit untersucht, verwies auch auf körperliche Folgen. Zu den langfristigen Nebenwirkungen der Neuroleptika gehöre auch Fettleibigkeit, was die Wahrscheinlichkeit für Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Herzversagen sowie für Diabetes erhöhe. Dadurch sei die Lebensqualität beeinträchtigt und die Lebensdauer der Betroffenen deutlich verkürzt, betonte Wagner.
Den betroffenen Heimkindern sei nicht die gleiche Würde zugestanden worden wie Menschen, sagte Wagner. „Sie hatten keine Lobby, es hat sich niemand für sie eingesetzt.“ Ärzte mit forschendem Interesse hätten die Kinder als Testpersonen praktischerweise zur Verfügung gehabt. „Sie konnten testen, was sie wollten, und die Kinder konnten sich einfach nicht wehren.“
Wagner verwies beispielhaft auf entsprechende Einträge in den Heimakten der Betroffenen und kritisierte das fehlende Problembewusstsein jener Zeit. Teilweise seien Versuche oder Ergebnisse in Fachzeitschriften publiziert worden, sagte sie. Sie habe verwundert feststellen müssen, dass in den Publikationen „ganz offen auch gesagt wurde, dass man an Heimkindern getestet hat“. Forderungen von Betroffenen nach Entschädigungen hätten bislang kein Gehör gefunden, kritisierte die Forscherin.