Kassel (epd). Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) hat 64 Fälle von sexualisierter Gewalt zwischen 1977 und 2020 gemeldet. Der Verband rechne aber mit mehr Fällen, sagte die Präventionsbeauftragte, die Psychologin Louisa Kreuzheck, am Montag in Kassel. Elf Taten seien strafrechtlich verfolgt worden, der Ausgang der Verfahren sei nicht immer bekannt. Zum Teil habe es Schuldsprüche gegeben, zum Teil seien die Verfahren ohne Urteil geblieben.
Die Beschuldigungen reichen nach Kreuzhecks Angaben von Grenzverletzungen wie einmaligen oder gelegentlichen Berührungen über verbale Gewalt bis hin zur Vergewaltigung. Die meisten der dokumentierten Fälle hätten sich bei Pfadfinderlagern, Schulungen und privaten Treffen ereignet, erklärte Peter Keil, Mitglied im VCP-Bundesvorstand. Er bezeichnete „hierarchische wie auch freundschaftliche Strukturen“ als Risiko.
Die Sprecherin des Beirats zur Aufarbeitung Sexualisierter Gewalt im VCP, Marlene Kowalski, kündigte für den Verband den Beginn einer externen wissenschaftlichen Studie zur Aufarbeitung an. Das Münchener Forschungsinstitut IPP und das Berliner Institut Dissens sollen weitere Fälle ans Tageslicht bringen, sie untersuchen und systemisches Versagen des Verbandes aufklären. „Wir wollen den Mantel des Schweigens wegnehmen“, sagte Bundesvorstand Keil. Der VCP wolle Verantwortung wahrnehmen und habe Rücklagen in knapp der Hälfte eines Jahreshaushalts, etwa 500.000 Euro, für die Studie und Unterstützungsleistungen für Betroffene angespart.
Im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) sind bundesweit rund 20.000 junge Menschen in 650 Stämmen (Ortsgruppen) aktiv, rund 5.000 engagieren sich als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund die Hälfte der Mitglieder ist jünger als 21 Jahre.