Berlin (epd). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zum Jahreswechsel mehr Bereitschaft zur Veränderung und zum Kompromiss angemahnt. Die Welt sei „unruhiger und rauer“ geworden, sagte er mit Blick auf globale Krisen in seiner am Sonntag veröffentlichten Neujahrsansprache. Sie verändere sich „in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit“. „Auch wir müssen uns deshalb verändern“, forderte der Kanzler. Vertreter der Kirchen riefen in ihren Neujahrsbotschaften zu Gottvertrauen auf und äußerten ihre Hoffnung auf Frieden.
Scholz sagte, vielen Bürgerinnen und Bürgern bereiteten die Veränderungen Sorgen. Bei einigen führe das auch zu Unzufriedenheit. „Ich nehme mir das zu Herzen“, beteuerte Scholz. Zugleich wisse er: „Wir in Deutschland kommen da durch.“ Der Regierungschef verwies darauf, dass manche befürchteten Szenarien nicht eingetreten seien. „Die Inflation ist gesunken. Löhne und Renten steigen. Die Gasspeicher sind für diesen Winter randvoll“, nannte er als Beispiele.
Er räumte zugleich ein, Investitionen in die Bahn, in Straßen, die Energiewende und die Wirtschaft seien vor dem Hintergrund des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts „nicht einfacher geworden“. Nicht alle Vorhaben könnten nun umgesetzt werden. Auch im kommenden Jahr werde aber eine „Rekordsumme“ investiert. Zudem würden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet. „Eine vierköpfige Familie mit einem normalen Einkommen hat dadurch im nächsten Jahr mehr als 500 Euro zusätzlich zur Verfügung“, sagte Scholz.
Der Kanzler betonte die Bedeutung der Demokratie für die Stärke Deutschlands. Diskussionen um den richtigen Weg und das Ringen um Kompromisse gehörten dazu, sagte Scholz. Er hätte „auf manch laute Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus“ verzichten können, sagte er, ohne den Streit in der Ampel-Koalition konkret zu benennen. Ganz ohne Diskussionen über den richtigen Weg funktioniere Demokratie aber nicht. „Stark macht uns unsere Bereitschaft zum Kompromiss“, sagte Scholz.
Die pfälzische evangelische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und der Speyerer katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann appellierten an die Menschen, trotz aller Ängste auf die Liebe Gottes zu vertrauen. „In ihr werden wir die Hoffnung nicht verlieren, den Mut nicht sinken lassen und die Kraft finden, unseren Weg durch die Zeit zu gehen“, schrieben die beiden leitenden Geistlichen in einem ökumenischen Neujahrswort.
Sie verwiesen auf die christliche Jahreslosung 2024 „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“. Die Liebe halte die Gemeinschaft zusammen, stärke das demokratische Miteinander und sei das hoffnungsreiche „Dennoch“ Gottes gegen alle „Chaosmächte“ in der Welt, erklärten die beiden Kirchenvertreter. Man hoffe für das neue Jahr auf Frieden in der Ukraine, im Nahen Osten und an vielen anderen Orten in der Welt sowie für arme, heimatlose und flüchtende Menschen.
Der Münsteraner Bischof Felix Genn warnte davor, sich durch Kriege in der Welt abstumpfen zu lassen. „Wir dürfen hier nicht nachlassen, darauf hinzuweisen, dass jeder Krieg Unrecht ist und Leben zerstört“, sagte der katholische Bischof in seiner Silvesterpredigt in der Sankt-Lamberti-Kirche in Münster. Die Menschen dürften sich nicht an Kriege wie in der Ukraine oder in Nahost gewöhnen.