Leipzig, München (epd). In Eingangsbereichen von Dienstgebäuden in Bayern dürfen weiterhin Kreuze hängen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig am Dienstag entschieden. Demnach verletzt der sogenannte Kreuz-Erlass weder die Weltanschauungsfreiheit noch die staatliche Neutralitätspflicht (BVerwG 10 C 3.22, BVerwG 10 C 5.22). Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig kritisierte die Entscheidung.
Die Leipziger Richter urteilten, die Klage des religionskritischen Bundes für Geistesfreiheit in München und in Bayern sei unbegründet. Die Regelung des Freistaates Bayern sei „eine bloße Verwaltungsvorschrift ohne rechtliche Außenwirkung“ und verletze deshalb keine Rechte der Kläger, erläuterte das Gericht und wies damit eine Revision zurück. „Die angebrachten Kreuze stellen zwar für den objektiven Betrachter ein zentrales Symbol des christlichen Glaubens dar“, sie verletzten die Kläger jedoch nicht in ihrer Freiheit, hieß es. Auch der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates werde nicht verletzt.
Der Anspruch auf eine neutralitätsgerechte Selbstdarstellung des Staates wird nach Meinung des Juristen Hans Michael Heinig durch die Behördenkreuze verletzt. Entscheidend sei nicht die Intensität der Konfrontation für Besucher, sondern das neutralitätswidrige Erscheinungsbild des Staates, das eine Religionskultur demonstrativ heraushebe und damit den Anspruch auf gleichberechtigte Achtung aller Bürger verletze, sagte Heinig dem Evangelischen Pressedienst (epd).
In Paragraf 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern heißt es seit Juni 2018: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“
Die CSU begrüßte das Leipziger Urteil. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich via Internetdienst X, früher Twitter, zufrieden: „Das Kreuz ist ein Zeichen unserer christlichen und kulturellen Prägung. Es gehört zu Bayern.“ Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem epd, das Kreuz stehe für elementare Werte wie Menschenwürde und Toleranz. „Unser ganzes Wertefundament, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, unsere Traditionen wie Weihnachten oder unsere Feiertage sind durchdrungen von christlich-abendländischer Kultur und Prägung.“
Eine Sprecherin des Bundes für Geistesfreiheit zeigte sich enttäuscht. Man habe allerdings nicht mit dieser Entscheidung gerechnet, sie sei auch nicht absehbar gewesen, sagte sie auf epd-Anfrage. Noch liege ihr kein schriftliches Urteil vor, sie gehe aber davon aus, dass weitere Rechtsmittel möglich sind: „Wenn wir dürfen, gehen wir bis vors Bundesverfassungsgericht.“
Dem Leipziger Urteil zufolge identifiziert sich der Freistaat Bayern mit der Aufhängung von Kreuzen nicht mit christlichen Glaubenssätzen. Vielmehr sei das Kreuz Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns. Die bayerische evangelische Landeskirche und das Münchner Erzbistum wollten sich auf Anfrage am Dienstag nicht zum Urteil äußern. 2018 hatten sie den Erlass teils deutlich und scharf kritisiert.
Kirchenrechtler Heinig kritisierte, der Staat bemächtige sich des Zentralsymbols des Christentums. Es werde zudem profanisiert und in den Behörden zur Schau gestellt, für die Landesregierung sei das Kreuz bloßer Ausdruck der kulturellen Prägekraft des Christentums.