Berlin (epd). Die Entsendung türkischer Imame an Moscheen in Deutschland soll schrittweise beendet werden. Wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag in Berlin mitteilte, wurde eine entsprechende Vereinbarung mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet getroffen. Ziel des Übereinkommens ist es, dass künftig ausschließlich in Deutschland ausgebildete und Deutsch sprechende islamische Geistliche in deutschen Moscheegemeinden tätig sind. Dafür sollen die Ausbildungskapazitäten hierzulande erhöht und eine Entsendung ausländischer Imame parallel zur Zahl der Absolventen schrittweise beendet werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, künftig sollen pro Jahr 100 Imame in Deutschland ausgebildet werden, die die aus der Türkei entsandten Imame ablösen sollen. Sie sprach von einem „Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland“.
Über ein Ende der Entsendung von Imamen aus dem Ausland wird seit Jahren verhandelt. Seit Langem wird unter anderem auch in der Deutschen Islamkonferenz immer wieder problematisiert, dass in islamischen Gemeinden in Deutschland oft Imame tätig sind, die kein Deutsch sprechen, mit hiesigen Gepflogenheiten nicht vertraut sind und daher auch eine Distanz zur Lebensrealität ihrer Gemeindemitglieder haben. „Wir brauchen Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und für unsere Werte eintreten“, sagte Faeser.
Die Vereinbarung betrifft Gemeinden des Türkei-nahen Verbands Ditib, der die meisten Moscheegemeinden in Deutschland unterhält. Rund 1.000 Imame werden für diese Gemeinden aus der Türkei entsandt, deren Fachaufsicht derzeit noch bei der türkischen Religionsbehörde liegt. Eine Grundsatzeinigung über ein Ende der Entsendungen wurde bei einem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Mitte November in Berlin erzielt.
Mit der schrittweisen Ablösung der entsandten Imame dürfte das komplette Ende dieser Praxis erst nach Jahren erreicht sein. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sieht die Vereinbarung aber vor, dass schon im nächsten Jahr die Fachaufsicht über die entsandten Imame auf den nach deutschem Recht eingetragenen Verein Ditib übergehen soll.
Religionspolitikerinnen der Koalition begrüßten den Schritt, sehen aber auch noch offene Punkte. Die religionspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Sandra Bubendorfer-Licht, sagte, sie sehe auch Ditib selbst in der Pflicht, den massiven Einfluss der Diyanet auf den deutschen Verein zu beschränken. Ein „Weiter so“ bei der strukturellen, finanziellen und personellen Abhängigkeit von Ankara werde man nicht hinnehmen. Durch die bisherige Entsendung trägt die Türkei auch die Personalkosten für die Imame. Auch die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor erklärte, die Kritik an Ditib hinsichtlich enger Verbindungen mit der Regierung Erdogan bleibe bestehen. Sie sprach dennoch von einem „wichtigen Schritt“.
Die Konferenz der Europäischen Rabbiner sprach dagegen nur von einem „zaghaften Schritt“. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt erklärte, es ändere wenig an der aktuellen Situation, in der von Diyanet entsandte Imamen auch „unverhohlen Antisemitismus und Israelhass“ verbreiteten.
Die Ausbildung der Imame in Deutschland soll an mehreren Standorten erfolgen. Dazu gehört die 2022 gestartete Ausbildungsakademie der Ditib im nordrhein-westfälischen Dahlem. Zudem werde eine Kooperation mit dem vom Bund und dem Land Niedersachsen geförderten Islamkolleg in Osnabrück angestrebt, hieß es. Die 2021 gestartete, von kleineren Islam-Verbänden getragene Ausbildungsstätte hatte in diesem September die ersten 24 Absolventinnen und Absolventen verabschiedet.