Bundesverfassungsgericht begrenzt Visumpflicht für Familiennachzug

Bundesverfassungsgericht begrenzt Visumpflicht für Familiennachzug

Karlsruhe (epd). Ausländerbehörden dürfen für den Familiennachzug von Ausländern die Pflicht zur Einholung eines entsprechenden Visums nicht überspannen. Wird von einem abgelehnten Asylbewerber und Vater von zwei Kindern für sein Aufenthaltsrecht ein Visum zum Familiennachzug verlangt, kann die geforderte Visa-Antragstellung in seinem Heimatland und die damit verbundene lange Familientrennung das Grundrecht auf Schutz der Familie verletzen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 441/23)

Im konkreten Fall ging es um einen abgelehnten äthiopischen Asylbewerber. Der Vater von zwei 2015 und 2021 in Deutschland geborenen Töchtern übt zusammen mit der getrennt lebenden, als Flüchtling anerkannten Mutter das gemeinsame Sorgerecht aus.

Im Juni 2022 forderte die Regierung von Unterfranken als Ausländerbehörde ihn zur Ausreise auf. Da er nun über Passpapiere verfüge, sei seine bisherige Duldung erloschen, arbeiten dürfe er auch nicht mehr. Er könne zwar als Familienangehöriger seiner Töchter einen Aufenthaltstitel erlangen. Hierfür müsse er aber zunächst nach Äthiopien ausreisen und bei der Deutschen Botschaft ein Visum zum Familiennachzug beantragen. Erst dann könne er zurückkehren.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hielt dies für zumutbar, zumal das Visaverfahren vermutlich nur sechseinhalb Monate dauern werde. Es sei auch nicht zwingend davon auszugehen, dass er während seiner Abwesenheit seine Mietwohnung verliere.

Das Bundesverfassungsgericht sah indes den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie verletzt. Zwar könne für einen Aufenthaltstitel wegen eines Familiennachzugs ein Visum verlangt werden. Dies müsse aber verhältnismäßig sein. Werde von einem Vater die Ausreise und ein monatelanges Visaverfahren verlangt, könne dies das Kindeswohl verletzen. So würden gerade kleine Kinder eine monatelange Trennung von ihrem Vater nicht begreifen und dies als endgültigen Verlust erfahren.

Der VGH habe keine „belastbare Prognose“ abgegeben, wie lange das Visaverfahren tatsächlich dauert, und ob der Vater auch Anspruch auf das Visum hat. So sei es offensichtlich, dass der Beschwerdeführer ohne laufende Einkünfte seine Wohnung in Deutschland nicht halten könne. Um ein Visum zum Familiennachzug erhalten zu können, müsse aber „ausreichender Wohnraum“ vorhanden sein. Schließlich sei nicht geprüft worden, ob wegen der Integration des Mannes in Deutschland auf das Visumverfahren gänzlich verzichtet werden könne.