Seenotretter fordern Stopp von Anti-Schleuser-Regelung

Seenotretter fordern Stopp von Anti-Schleuser-Regelung
Jedes Jahr bewahren private Seenotretter Tausende Flüchtlinge auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken. Mehr als 50 Organisationen warnen vor einer Kriminalisierung ihrer Arbeit in Deutschland.

Frankfurt a.M. (epd). Mehr als 50 Organisationen warnen vor einer Kriminalisierung der Seenotrettung in Deutschland. Die geplante Änderung des Aufenthaltsgesetzes widerspreche dem Koalitionsvertrag, erklärten Seenotrettungs- und Menschenrechtsorganisationen sowie Hilfswerke am Dienstag. Die Ampel-Parteien hätten sich dort zur Pflicht zur Seenotrettung bekannt. Das Bundesinnenministerium müsse seine Vorlage ändern.

Bei dem kürzlich vom Bundesinnenministerium vorgestellten Gesetzesentwurf handle es sich um den bisher weitreichendsten Versuch, in Deutschland die Seenotrettung zu kriminalisieren, kritisierten die Organisationen. Demnach solle die Beihilfe zur unerlaubten Einreise unter Strafe gestellt werden, wenn sie „wiederholt oder zugunsten mehrerer Ausländer“ erfolgt. Zudem würde durch die Änderung auch die Hilfe zur Einreise von unbegleiteten Minderjährigen unter Strafe gestellt.

Bestraft werden könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Seenotrettungsorganisationen, aber auch Menschenrechtsverteidiger, humanitäre Organisationen und die Geflüchteten selbst. Helferinnen und Helfern drohen laut den Organisationen bis zu zehn Jahren Haft.

Zahlreiche deutsche Organisationen beteiligen sich an der Rettung von Geflüchteten in Seenot im Mittelmeer. Die Überquerung des Mittelmeers gilt als eine der gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Nach UN-Angaben starben dabei in diesem Jahr bereits fast 2.500 Menschen.

In einer Klarstellung des Bundesinnenministeriums habe es geheißen, die Kriminalisierung der Seenotrettung sei nicht beabsichtigt. Die Formulierungshilfe rechtfertigt nach Einschätzung der Hilfsorganisationen aber eindeutig eine strafrechtliche Verfolgung dieser im Falle vieler Rettungen. In fast allen Einsätzen würden mehrere Personen zum europäischen Festland gebracht. Zudem befänden sich unter den Geretteten regelmäßig unbegleitete Minderjährige.

Die Ampel-Regierung hat die Änderung des Paragrafen 96 des Aufenthaltsgesetzes, der das Einschleusen von Ausländern betrifft, bereits im Oktober im Kabinett beschlossen. Sie muss noch durch den Bundestag, bevor sie in Kraft tritt. Mit den geplanten Gesetzesänderungen würde sich Deutschland in eine repressive Politik einreihen, die europaweit zu beobachten sei, kritisierten die Organisationen.

Derweil zog die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye in Italien gegen die jüngste Festsetzung der „Sea-Eye 4“ vor Gericht. Die italienischen Behörden seien für so einen Schritt gegenüber Schiffen unter deutscher Flagge nicht zuständig, erklärte die Organisation am Dienstag in Regensburg. Die italienischen Behörden hatten das Rettungsschiff Ende Oktober nach einem Rettungseinsatz zum dritten Mal in diesem Jahr für 20 Tage festgesetzt und eine Geldstrafe von 3.000 Euro verhängt.

Begründet wurde dies laut Sea-Eye mit dem Vorwurf, dass die Schiffscrew sich geweigert habe, den Anweisungen der libyschen Küstenwache zu folgen. Die libyschen Behörden hätten die „Sea-Eye 4“ unter Androhung „militärischer Gewalt“ aufgefordert, das Seegebiet zu verlassen. Die Crew sei dem nicht nachgekommen, um die Geflüchteten zu schützen. Sea-Eye klagte den Angaben zufolge am Zivilgericht von Vibo Valentia.