Frankfurt a.M., London (epd). Das Oberste Gericht in London hat das britische Abschiebeabkommen mit Ruanda gekippt. Die Richter stuften das Vorhaben am Mittwoch einstimmig als rechtswidrig ein. Der Supreme Court stellte sich damit hinter ein Berufungsurteil vom Juni, das die Sicherheit der Asylsuchenden in Ruanda infrage gestellt hatte. Premierminister Rishi Sunak bekräftigte im Netzwerk X, vormals Twitter, seine Entschlossenheit, die Migration nach Großbritannien zu drosseln.
Sein Einsatz, „die Boote zu stoppen“, lasse nicht nach, erklärte Sunak. Seine Regierung arbeite an einem neuen Plan mit Ruanda, der im Lichte des Gerichtsurteils fertiggestellt werden solle. Er sei auch bereit, den nationalen Rechtsrahmen zu überprüfen, sollte dies nötig werden.
Nach dem im vergangenen Jahr abgeschlossenen Abkommen mit Ruanda sollte Großbritannien Asylsuchende ungeachtet ihres Status in das ostafrikanische Land abschieben können, damit sie dort den Asylantrag stellen. Die Menschen würden demnach zur Ausreise gezwungen und hätten keine Chance auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich. Entweder sie erhielten dann Asyl in Ruanda, oder sie müssten versuchen, mit einem anderen Status dort zu bleiben oder einen Antrag in einem weiteren Land zu stellen.
Der Oberste Gerichtshof erklärte zu seiner Entscheidung, es gebe Grund zur Annahme eines realen Risikos, dass die Asylgesuche in Ruanda nicht angemessen bearbeitet würden. Asylbewerber würden damit der Gefahr ausgesetzt, wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt zu werden. Mit dieser Begründung hatte bereits das Berufungsgericht im Juni seine Entscheidung gefällt. Das Innenministerium war dagegen vor den Supreme Court gezogen, um den Ruanda-Deal weiter verfolgen zu können.
Premierminister Sunak hat versprochen, die Migration ins Vereinigte Königreich zu senken. Mit ihrem Ruanda-Deal wollte die Regierung vor allem von der irregulären Einreise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abschrecken. Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen protestierten gegen das Vorhaben als Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
Sie feierten das Urteil vom Mittwoch als Sieg der Menschlichkeit und als Niederlage menschenrechtswidriger Politikvorhaben. Der Ruanda-Plan sei von Anfang an grausam und unmoralisch gewesen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von rund 130 Organisationen und Gruppen. Die Regierung müsse von solchen Plänen umgehend Abstand nehmen, sei es mit Ruanda oder sonst einem anderen Land. Die Organisation MigrantVoiceUK mahnte zugleich zu anhaltender Wachsamkeit: „Wir müssen sicherstellen, dass es keine neuen Versuche solcher Politikvorhaben gibt.“
In einer ersten Instanz hatte der High Court in London im vergangenen Jahr das Abkommen noch abgesegnet mit der Begründung, den Abgeschobenen werde ein faires Asylverfahren in Ruanda garantiert. In das ostafrikanische Land ausgeflogen wurde im Rahmen des Abkommens aber noch niemand. Ein erster Flieger, der im Juni 2022 eine Gruppe von Asylbewerbern nach Ruanda bringen sollte, wurde kurz vor dem Abflug gerichtlich gestoppt.