Nairobi, Khartum (epd). Im Sudan sind in dieser Woche sowohl Kämpfe in der Hauptstadt als auch in der Region Darfur weiter eskaliert. Die Situation sei alarmierend, erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag. Es gebe Berichte über systematische sexuelle Gewalt, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Erpressung von Zivilisten und ethnisch motivierte Angriffe. Besonders dramatisch sei die Lage im westlichen Darfur. „Vor 20 Jahren war die Welt über die fürchterlichen Gräueltaten und Menschenrechtsverbrechen in Darfur geschockt“, erklärte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. „Wir befürchten, dass sich gerade eine ähnliche Dynamik entwickelt.“
Der sudanesische Menschenrechtsaktivist Hafiz Mohamed von der Organisation „Justice Africa Sudan“ bezeichnet bereits die derzeitige Gewalt als ethnische Säuberungen. Hunderte Angehörige der Volksgruppe der Massalit seien allein im Ort Ardamata in dieser Woche von den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und verbündeten arabischen Milizen getötet worden, sagte Mohamed in einem am Freitag ausgestrahlten Interview mit dem britischen Sender BBC. Die UN geben die Zahl der Getöteten mit über 800 an.
Im Sudan eskalierte am 15. April ein Machtkampf zwischen der regulären Armee und den RSF. Seitdem wurden laut UN-Angaben Tausende Menschen getötet, etwa sechs Millionen sind auf der Flucht. Die überwältigende Mehrheit von ihnen sind Frauen und Kinder.
Die Regierung habe keine Kontrolle mehr über die Hauptstadt Khartum, die Milizen kontrollierten die wichtigsten Straßen, sagte Mohamed der BBC. „Die sudanesische Armee war nicht vorbereitet auf einen Krieg dieser Art.“ In den vergangenen 20 Jahren sei mehr Geld in den Ausbau der RSF geflossen als in die Armee. Der Menschenrechtler befürchtet, dass die Situation weiter eskaliert und den Völkermord von 2003 bis 2005 übertreffen könnte. Damals wurden etwa 200.000 Menschen getötet.
Nach Berichten des unabhängigen Nachrichtenportals „Pass Blue“ drangen die RSF-Milizen in dieser Woche bis in die Umgebung von Al-Fasher vor, der einzigen größeren Stadt in der Region Darfur, die bisher nicht unter RSF-Kontrolle ist. Dort gab einen lokalen Waffenstillstand, der der Stadt relative Ruhe verschafft hatte. In ihrem Eroberungszug in den vergangenen Wochen hatten die RSF viele Militärbasen und auch die zweitgrößte Stadt im Sudan, Nyala, eingenommen und sich El-Fasher immer weiter genähert.